5 Fragen an Künstlerin Carolin Gasse
Für ihre Arbeit »Masken«, eine Serie aus drei Videos, wurde Carolin Gasse mit dem Preis 2016 der Stiftung Ulla und Eberhardt Jung ausgezeichnet. Wir haben mit der Künstlerin über die verborgenen Dimensionen des Menschen gesprochen und ob es eine Gesellschaft ohne Masken geben kann.
Frau Gasse, welche Funktionen haben Masken in unserer Gesellschaft?
Genau das versuche ich in meinen Arbeiten zu ergründen. Zum einen kann es Selbstschutz sein, weil es manchmal einfacher ist, eine Rolle zu spielen oder eine Maske aufzusetzen, als in jeder Situation zu versuchen, dieselbe Person zu sein. Andererseits ist es eine Orientierungshilfe, in diesem Wust aus Situationen, mit denen wir konfrontiert sind und den Rollen, die wir spielen müssen.
Es gibt aber auch eine politische Dimension: Masken werden einem je nach Nationalität oder Stand aufgesetzt. Manchmal sind sie brutal, manchmal weniger. Das kommt ganz darauf an, wo und unter welchen äußeren Umständen die Person lebt.
Das klingt so, als seien Masken auch etwas Gelerntes.
Ja. Beispielsweise lernen wir, wenn wir in die Schule kommen, Schüler zu sein, still dazusitzen, zuzuhören und uns nicht zu bewegen. Wir lernen was sich gehört, was sich nicht gehört, wann wir bestimmte Rollen einnehmen sollten und wie wir nach außen zu wirken haben. Das ist auf jeden Fall ein Grund dafür, dass wir verschiedenste Masken haben und nutzen.
Glauben Sie, dass hinter den Masken ein wahrer Kern verborgen ist? Also das, was eine Person wirklich ausmacht?
(lacht und überlegt kurz) Das ist nicht so eindeutig. Was mich bei meiner Arbeit über Masken interessiert hat, ist die Frage, was ist, wenn wir alleine sind, wenn wir keine Rolle erfüllen müssen. Was bleibt dann übrig? Was genau ist diese Intimität, die man niemandem zeigen kann, die nur existiert, wenn kein Blick eines anderen da ist?
Ich glaube schon, dass es etwas gibt, das uns als Person am nächsten kommt. Natürlich ist das auch geformt durch Erwartungen, die wir an uns haben. Aber ich denke, dass dieser Moment, in dem wir nicht daran denken, es jemandem recht machen zu müssen, uns selbst am nächsten kommt. Das Alleinsein ist auf jeden Fall ein spannender Moment.
Eine andere Arbeit von Ihnen, die Serie »Portrait intérieur«, behandelt einen ähnlichen Aspekt. Hier versuchen Sie, die verborgenen Dimensionen eines Menschen sichtbar zu machen. Wie sind Sie vorgegangen?
Die inneren Porträts waren eine meiner ersten Arbeiten. Hier war es mir wichtig, das Innere auch wortwörtlich nach außen zu kehren, indem ich direkt auf die Haut male. Ich wollte die Außenwirkung der Personen beeinflussen und aufheben, indem ich Attribute hinzufüge. Durch Farbe oder den gewählten Ausschnitt wollte ich der inneren Person näherkommen.
Ich habe mich dabei sehr auf meinen Blick verlassen. Aber da es sich um Personen handelt, die ich mehr oder weniger kannte, hatte ich schon ein eigenes Bild von ihnen. Generell gehe ich sehr intuitiv heran und nicht konzeptuell. Ich sehe Bilder vor meinem inneren Auge, die ich dann visualisiere.
Dass es meine subjektive Wahrnehmung ist, nach der ich arbeite, habe ich auch an der Reaktion einer Person gemerkt, die sich selbst anders gesehen hatte.
Glauben Sie an eine maskenlose Gesellschaft oder ist das Maskentragen etwas, ohne das der Mensch vielleicht gar nicht existieren kann?
Ich glaube, es ist schon etwas Menschliches. Aber die Frage ist, ob man sich aussuchen kann, welche Maske man tragen möchte. Also dass einem nicht beispielsweise aufgrund äußerer Merkmale sofort eine Maske aufgesetzt wird. Hier sind wir wieder beim politischen Aspekt. Sicher ist es zum Teil notwendig, dass Masken existieren. Aber ich könnte mir ein freieres Maskensystem vorstellen. (lacht)
Letztlich ist die einzige Möglichkeit, um freier mit Rollenzuschreibungen von außen umgehen zu können, mit sich selbst im Reinen zu sein. Und das ist eine Lebensaufgabe.