»Edle Einfalt, stille Größe«
»Von Winckelmann inspiriert – Bauhaus-Künstler zwischen moderner Antike und antiker Moderne«: Anna Heydes Arbeit ist eine Erzählung, die »von Natur, Ideal und Schönheit, von Erhabenheit, von Vergangenheit und Gegenwart« handelt, wie sie selbst schreibt.
In der Einleitung des Kataloges zur Winckelmann-Ausstellung heißt es, Johann Joachim Winckelmann »hat es überhaupt erst möglich gemacht, ›Geschichte‹, so wie wir sie heute verstehen, im Medium der Kunst zu denken: als eine Erzählung die aus der narrativen Kombination von Einzelereignissen Sinn generiert.«
Meine Arbeit ist eine solche Erzählung. Sie handelt von Dingen, wie sie Winckelmann beschäftigten: von Natur, Ideal und Schönheit, von Erhabenheit, von Vergangenheit und Gegenwart. Er hat früh erkannt, dass Kunstwerke imstande sind, Gedanken und Empfindungen zu konzentrieren. Ich habe die Linien aufgelöst, habe die Kontur plan werden lassen und mit der Oberfläche verschmolzen, Bild für Bild einen Übergang geschaffen, der zu erzählen imstande ist.
Am Anfang steht das Ei … ohnehin ein starkes Symbol, scheint es hier gleichsam schwerelos im Raum zu schweben, gewinnt durch künstlerische Stilmittel wie Unschärfe und Kontrast an Körperlichkeit, hebt sich aus dem Planen des Blattes heraus und suggeriert einen dreidimensionalen Raum. Es ruht. Doch in sich birgt es eine tosende und ungeheuerliche Kraft: die Frage nach dem Leben. Seine Schale ist eine Haut, unter welcher Leben pulsiert, sie ist eine Membran zwischen Innen und Außen, verhüllt und macht gleichzeitig sichtbar, sie deutet an, sie spielt, sie wehrt den Blick ab und zieht ihn in die Tiefe.
Die Kontur des Eies ist sehr einfach, orientiert sich an der Symmetrie, flüchtet vor sich selbst in einer runden Bahn. Die Spur der Kontur umfasst eine Idee, kreist sie ein, legt einen Raum fest. Die Kontur ist eine Imagination – kein Körper besitzt sie, sie ist eine dynamische Kante, sie ist die Möglichkeit. Sie wächst aus dem Kontext heraus. Nicht nur der Körper, sondern die Sache selbst wird sichtbar.
Unter dem Motto »Von Winckelmann inspiriert – Bauhaus-Künstler zwischen moderner Antike und antiker Moderne« haben wir Künstlerinnen und Künstler der Bauhaus-Universität Weimar dazu eingeladen, sich kreativ mit Johann Joachim Winckelmann und seinem Wirken zu beschäftigen. Bis zum Ende der Ausstellung am 2. Juli veröffentlichen wir die unterschiedlichen Ergebnisse dieser künstlerischen Zusammenarbeit wöchentlich im Blog.
Die Ausstellung »Winckelmann. Moderne Antike« ist vom 7. April bis 2. Juli 2017 im Neuen Museum in Weimar zu sehen.