Goethe, Schiller und die Weimarer Klassik · Fundstück
Das Mozart-Autogramm
Wir fragten die Kuratorin Evelyn Liepsch nach ihrem Lieblingsexponat in der Ausstellung »Aus Goethes Autographensammlung. Von Mozart bis Napoleon«. Uns verriet sie, dass ihr das »Fragment c-moll für Klavier und Violine KV 396 (385f) (1782) von Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)« besonders am Herzen liegt.
Es ist ein Manuskript von 27 Takten auf einem allseitig stark beschnittenen Blatt. In der Ausstellung ist die Rückseite mit Goethes Beschriftung »Mozart« und der Notiz »No 19: Mozart« von Eleonore Flies sowie Goethes Umschlag mit eigenhändiger Aufschrift zu sehen.
Dass Goethe leidenschaftlich Handschriften sammelte und der Nachwelt mehr als 2000 Autographa »denkwürdiger Personen« überliefert hat, ist kaum bekannt. In fast drei Jahrzehnten trug er für seine »Lieblingssammlung« Briefe, Manuskriptstücke, Notenblätter, Zeichnungen, amtliche Dokumente, Notizzettel, ganze Stammbücher oder die bloße eigenhändige Unterschrift von Künstlern, Gelehrten, Politikern und Monarchen aus unterschiedlichsten Zeiten zusammen.
Goethe war stets auf der Suche nach neuen Autographen. Evelyn Liepsch erklärt:
»Er hat ein kleines Verzeichnis seiner Autographe in seine Briefe gesteckt und sie weit verbreitet, um Zugänge für seine Sammlung zu erhalten.«
Im Falle des Mozart-Fragments waren es die Brieffreundinnen und Salonières Caroline Pichler und Eleonore Flies, die das seltene Blatt für Goethe in Wien aufspürten. Im Juni 1812 war es dem Dichter in einer Sendung von 20 kostbaren Autographen in Karlsbad überbracht worden.
Goethe zählte es zu seinen besonderen Schätzen. »Goethe wollte unbedingt einen Mozart haben und begeisterte sich dann auch ganz überschwänglich für dieses Blatt des trefflichen Mozart, wie er sagte. Mozart war ja Zeit seines Lebens ein Wunder für ihn, wie er vielfach schrieb.«, so Frau Liepsch. Bis in seine letzten Lebensjahre rühmte Goethe die Werke des Wiener Meisters als »etwas Unerreichbares in der Musik«. »Mozart hätte den ›Faust› komponieren müssen«, bedauerte er wohl einmal gegenüber Eckermann.
Den Dichter begeisterte der unmittelbare Umgang mit jedem einzelnen Original, um »die Geister der Entfernten und Abgeschiedenen hervorrufen und um sich versammeln« zu können. Die Noten vom Mozart-Fragment ließ Goethe beispielsweise den 12-jährigen Felix Mendelssohn Bartholdy während eines Besuchs in seinem Haus am Frauenplan spielen.