Franz Hanfstaengel, Franz Liszt am Klavier, 1869, Druck auf Papier, Klassik Stiftung Weimar

„Eine der größten Schöpfungen des 19. Jahrhunderts“

Ein ganz besonderes Exemplar der „Faust-Symphonie“ von Franz Liszt gehört nun zum Bestand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Es enthält eigenhändige Korrekturen des Komponisten.

Von Angelika von Wilamowitz-Moellendorff
aus der Herzogin Anna Amalia Bibliothek

Der 100. Geburtstag von Carl August war ein großes Fest! Weimar hatte sich auf das Jubiläum des einstigen Großherzogs gut vorbereitet und enthüllte vom 3. bis 5. September 1857 gleich zwei Kunstwerke: Ernst Rietschels Goethe- und Schiller-Denkmal auf dem Theaterplatz und das Wieland-Denkmal von Hanns G. Gasser. Auch die zeitgleiche Grundsteinlegung des Carl-August-Denkmals von Adolf Donndorf auf dem heutigen Platz der Demokratie war ein historischer Moment in der Stadtgeschichte.

Uraufführung der Symphonie als Höhepunkt

Der unbestrittene Höhepunkt der Weimarer Feierlichkeiten aber war die Uraufführung von Franz Liszts Komposition „Eine Faust-Symphonie“ im Hoftheater unter seiner Leitung. Das Werk zählt heute zu seinen bedeutendsten Schöpfungen. Es entstand zu weiten Teilen in der Weimarer Altenburg, in der Liszt seit 1848 mit Carolyne von Sayn-Wittgenstein wohnte.

Richard Lauchert, Franz Liszt, 1856, Öl auf Leinwand, Klassik Stiftung Weimar

Richard Lauchert, Franz Liszt, 1856, Öl auf Leinwand, Klassik Stiftung Weimar

Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek erwarb nun ein von Liszt revidiertes Druckexemplar der Partitur der „Faust-Symphonie“ von 1866 für ihre Liszt-Sammlung. Das Exemplar enthält zahlreiche Korrekturen und Überklebungen von Franz Liszt selbst – in Tinte, Blau- und Rotstift, für die Stimmen Violine, Viola, Pauke, Posaune, Fagott, Flöte und Harfe, Vortragsbezeichnungen und Erläuterungen. Diese Neuerwerbung ergänzt den Bestand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek zu Liszts Werk um ein besonderes Exemplar.

Jahrelange Beschäftigung mit Faust-Stoff

Seit der Epoche des Sturm und Drang setzten sich wieder viele Künstler mit dem Faust-Stoff auseinander. Schon seit den 1830er Jahren beschäftigte Liszt sich mit diesem Thema. Er studierte Faust-Werke u.a. von Friedrich Maximilian Klinger, Johann Wolfgang von Goethe und Nikolaus Lenau, von Franz Schubert, Ludwig van Beethoven oder von Charles Gounod und tauschte sich mit vielen Künstlern darüber aus. Goethes „Faust“ war dabei die wichtigste Anregung.

Die Neuerwerbung von Franz Liszts „Eine Faust-Symphonie“ mit eigenhändigen Korrekturen des Komponisten. Foto: Digitale Sammlungen der HAAB

Die Neuerwerbung von Franz Liszts „Eine Faust-Symphonie“ mit eigenhändigen Korrekturen des Komponisten. Foto: Digitale Sammlungen der HAAB

In Paris las Liszt den ersten Teil von Goethes „Faust“ auf Französisch in der Prosaübersetzung von Gérard de Nerval, später beide Teile im Original. Angeregt durch die Kompositionen „Symphonie fantastique“ und „La Damnation de Faust“ des befreundeten Hector Berlioz, erwog Liszt, ein eigenes Werk zum Faust-Stoff zu schaffen.

Obwohl ihm seine anstrengende Konzerttätigkeit wenig Zeit ließ, schrieb Liszt in den 1840er Jahren erste Skizzen zu einer „Faust-Symphonie“ nieder. Doch erst die Übersiedlung nach Weimar im Jahre 1848 und seine Anstellung als „Kapellmeister in außerordentlichen Diensten“ ermöglichte es Liszt, sich intensiv dem Komponieren zuzuwenden.

Partiturseite mit Korrekturzettel von Franz Liszt. Foto: Digitale Sammlungen der HAAB

Partiturseite mit Korrekturzettel von Franz Liszt. Foto: Digitale Sammlungen der HAAB

Die Urschrift der „Faust-Symphonie“ vollendete Liszt am 19. Oktober 1854 mit einer Widmung an Hector Berlioz. Bis zur Uraufführung nahm er, wie es seiner Arbeitsweise entsprach, noch zahlreiche Änderungen vor. So fügte er 1857 den eindrucksvollen Schlusschor „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichniss“ nach Goethe hinzu. Der Erstdruck der Partitur erschien 1861, die neue veränderte Auflage dann 1866 im selben Verlag.

Der ungarische Musikwissenschaftler László Somfai schrieb 1963 in seiner Studie „Die Metamorphose der ‚Faust-Symphonie‘“:

„ … ist doch diese monumentale Komposition eine der größten Schöpfungen nicht nur von Liszt, sondern der musikalischen Ernte des 19. Jahrhunderts überhaupt“.

Bernhard Plockhorst, Franz Liszt, 1869, Öl auf Leinwand, Klassik Stiftung Weimar

Bernhard Plockhorst, Franz Liszt, 1869, Öl auf Leinwand, Klassik Stiftung Weimar

Handschriftliche und drucktechnische Quellen zum Orchesterwerk „Eine Faust-Symphonie“ befinden sich heute im Liszt Gedenkmuseum Budapest und im Bestand der Klassik Stiftung Weimar. Mit der Erwerbung des von Liszt revidierten Druckexemplars der Partitur der „Faust-Symphonie“ von 1866 ist diese Sammlung um eine außergewöhnliche Quelle reicher. Ihre Digitalisierung eröffnet der Lisztforschung dazu weltweit freien Zugang.

Auch interessant:

Nanocellulose rettet verloren geglaubte Noten

Franz Liszt: Genie und bescheidener Lehrmeister 

“Die Loreley” – Ein frühes Lied Franz Liszts nach Heinrich Heine

Goethes Gedichtbriefe für Charlotte von Stein

Alle News monatlich kompakt in unserem Newsletter!

Die Kulturapp Weimar+