Franz Liszt: Genie und
bescheidener Lehrmeister
Franz Liszt prägte das sogenannte »Silberne Zeitalter« Weimars. Von 1848 bis 1861 lebte er als Hofkapellmeister in der Residenzstadt und kehrte 1869 auf Bitten des Großherzogs Carl Alexanders nach Weimar zurück. Wie kam es dazu, dass der große Pianist dem Ruf folgte? Ein biographischer Abriss.
Franz Liszt wird am 22. Oktober 1811 in Raiding, damals Westungarn, geboren. Früh erhält er Klavierstunden bei seinem Vater und spielt bereits mit neun Jahren erste Konzerte. Nach weiteren Auftritten und intensivem Unterricht vergleicht man den »Wunderknaben« in Wien bereits mit dem jungen Mozart. 1823 siedelt die Familie nach Paris über.
Als 1827 plötzlich der Vater des 16-jährigen Liszts stirbt, muss der begabte Musiker seinen Lebensunterhalt mit Klavierstunden verdienen, um sich und seine Mutter in Paris zu versorgen. In dieser Zeit knüpft der angehende Pianist bereits wichtige Kontakte zu Schriftstellern, Musikern und Künstlern wie Heinrich Heine, Victor Hugo, Honoré de Balzac, Frédéric Chopin oder Eugène Delacroix.
Im Dezember 1832 lernt der Klaviervirtuose die verheiratete Marie d’Agoult kennen, mit der er in den folgenden Jahren eine Affäre hat. Sie verlässt ihren Mann 1835, um mit Liszt in der Schweiz zu leben und bringt im selben Jahr die gemeinsame Tochter Blandine zur Welt. Zwei Jahre später folgt die Geburt der Tochter Cosima, Sohn Daniel wird 1839 geboren.
In dieser Zeit steigt Liszt immer mehr zum Star der europäischen Musikszene auf. Bei seinen Auftritten in verschiedenen italienischen Städten und Wien wird er fanatisch vom Publikum gefeiert. Um den ungewöhnlich schönen Pianisten mit der starken Ausstrahlung entwickelt sich ein regelrechter Kult, der ihn vermutlich zum meist porträtierten Mann des 19. Jahrhunderts macht. Souvenirs und Fanartikel rund um seine Person verkaufen sich tausendfach.
Von 1840 bis 1847 folgen ausgedehnte Konzerttourneen durch ganz Europa, die Zeichen einer unvergleichlichen Virtuosenkarriere sind. Er bricht seine Konzertreisen jedoch abrupt ab und lässt sich in dem kleinen Weimar nieder, wo er bereits 1842 von Großherzog Carl Friedrich zum Hofkapellmeister ernannt worden war. Durch Liszt wird die Residenzstadt zu einem Zentrum zeitgenössischer Musik, das international Beachtung findet. Seine zukünftige Partnerin Carolyne Sayn-Wittgenstein lernt er 1847 in Kiew kennen, sie folgt ihm ein Jahr später nach Weimar. Die geplant Heirat wird jedoch niemals stattfinden.
Die Jahre in Weimar zeugen von Produktivität und Tatendrang. Mehrere Uraufführungen finden unter Liszts Regie statt, so auch Richard Wagners ›Lohengrin‹. Gleichzeitig sieht sich Liszt Angriffen der Presse ausgesetzt: Nachdem er 1853 das Karlsruher Musikfest leitete, wird er und die von ihm verkörperte neue Musikrichtung scharf kritisiert. Als er die Uraufführung von Cornelius‘ Oper ›Der Barbier von Bagdad‹ am 15. Dezember 1858 dirigiert, endet der Abend mit einem Skandal: Lautstark boykottierten die Gegner Liszts die Aufführung des neudeutschen Komponisten. Liszt legt daraufhin sein Kapellmeisteramt nieder. Auch mehrere seiner ambitionierten Projekte in Weimar scheitern, wie der Bau eines eigenen Festspielhauses für Wagner oder die Gründung einer Goethe-Stiftung. Dies mag ebenso dazu beigetragen haben, dass er seine Zeit hier als abgeschlossen ansieht – vorerst zumindest. Er verlässt die Residenzstadt und geht nach Rom.
1869 jedoch kehrt Liszt auf Einladung des Großherzogs Carl Alexanders erneut nach Weimar zurück, zumindest für die Sommermonate. Den Rest des Jahres verbringt er abwechselnd in Rom und Budapest. In Weimar stellt ihm Großherzog Carl Alexander Großherzogin eine komfortable Wohnung zur Verfügung, Großherzogin Sophie sorgt persönlich für die angemessene Einrichtung.
Jetzt konzentriert sich der Klaviervirtuose vor allem auf seine Lehrtätigkeit. Der ›Maestro‹ unterrichtet unentgeltlich einen internationalen Kreis von männlichen wie auch wenigen weiblichen Schülern. Nicht selten versammeln sie sich in seinem Salon um ihn wie eine Schar begeisterter Jünger. In einer Saison reisen teilweise bis zu 40 angehende Virtuosen aus ganz Europa nach Weimar, um sich von dem europaweit geschätzten Pianisten unterrichten zu lassen.
Liszt praktiziert seine Übungsstunden auf fortschrittliche Art des Gruppenunterrichts, die erst später in Form von Meisterkursen allgemein üblich werden sollte. Der alternde Pianist hat außergewöhnliche Freude daran, sein Wissen an junge Menschen weiterzugeben und diese zu fördern. Seinen Erfolg benutzt er nie für Repräsentationszwecke nach außen. August Stradal, Liszt-Schüler und sein späterer Sekretär beschreibt Liszts Lebensstil als außergewöhnlich bescheiden:
»Auffallend ist die große Anspruchslosigkeit für seine eigene Person. […] Seine Domizile sind überall bescheidenster Art, nirgends ein Luxus […].«
Als Gastdirigent kann man ihn noch in den Städten Europas erleben, in die er als Ehrengast geladen wird. Weder sein Alter noch seine zunehmend schwindende körperliche Kraft können den ruhelosen Geist vom Reisen abhalten.
Zu gleicher Zeit freundet sich seine Tochter Cosima mit Richard Wagner an, der etwa im gleichen Alter wie ihr Vater ist. Sie wird Wagners Geliebte und heiratet den Komponisten 1870, was einen zeitweisen Bruch mit dem Vater hervorruft, der den Musiker gefördert hatte und mit ihm befreundet war. Nach Verstimmungen zwischen beiden Parteien besucht Franz Liszt das Ehepaar erstmals zwei Jahre später in Bayreuth und nimmt vier Jahre später an den ersten Bayreuther Festspielen teil. Nach dem Tod Wagners 1883 dirigiert Liszt ein Gedächtniskonzert in Weimar für seinen Schwiegersohn.
Im Alter von 75 Jahren erlebt Liszt in Städten wie Lüttich, Antwerpen, Paris und London nochmals Triumphe, die seiner Virtuosenzeit gleichkommen. Am Ende seines Lebens erfährt er nun auch Anerkennung als Komponist. Seine letzte Reise führt ihn 1886 nach Bayreuth, wo Cosima nach dem Tod ihres Gatten die Festspiele leitet. Er stirbt dort am 31. Juli an den Folgen einer Lungenentzündung.
Die Ausstellung »›Génie oblige‹. Autographen aus dem Nachlass« ist bis zum 17. September bei freiem Eintritt im Goethe- und Schiller-Archiv zu sehen.