Giuseppe Bossi – Ein Porträt
»Nach Leonardo da Vinci nahm er seinen Platz im Kreis der
exzellentesten und berühmtesten Italiener ein.«
Giuseppe Rovani über Bossi
Bossi, geboren 1777 in Busto Arsizio, studiert Malerei an der Accademia di Brera in Mailand. Früh bemerken seine Lehrer seine Begabung. Bereits als 18-jähriger erhält er ein Stipendium der Akademie über drei Jahre, um seine Fertigkeiten in Rom zu perfektionieren. Dort entwickelt er sein Talent als Kopist, führt Naturstudien durch und beginnt Kunst zu sammeln. Zudem pflegt er Kontakte und Freundschaften zu den mächtigsten Künstlern, Sammlern und Intellektuellen seiner Zeit.
Giuseppe Bossi ist ein begeisterter Anhänger republikanischer und jakobinischer Ideen. Als Ergebnis der Schlacht bei Marengo am 14. Juli 1800 verbannt Napoleon die österreichische Herrschaft vom italienischen Territorium und richtet die Cisalpinische Republik ein, als deren Präsident er 1802 in Erscheinung treten wird. Bossi profitiert von dieser Entwicklung, wird als Preisträger eines Kunstwettbewerbs zum Thema »Die Dankbarkeit der Cisalpinischen Republik gegenüber Napoleon« gekrönt. Der Sieg trägt ihm am 21. Mai 1801 die Ernennung zum dritten Sekretär – Direktor – der Brera ein.
Während seiner Amtszeit ist er als Maler tätig, schreibt Dichtungen und Kunsttraktate, widmet sich einem theoretischen Studium der verschiedensten Themen in Kunst und Kultur und sammelt Bücher sowie wertvolle Manuskripte für seine persönliche Bibliothek und Kunstsammlung.
Unter Bossis Leitung werden Rolle und Struktur der Brera modernisiert: Gemäß seinen republikanischen Idealen sollen die Akademie und die Sammlung der Erziehung der Bürger dienen. Zudem realisiert er eine Reform, die der Institution Autonomie gegenüber der Politik verschafft. Da die Brera-Sammlung zunächst aus nur wenigen Werken besteht, stellt die Regierung ihm Andrea Appiani, Commissario delle Belle Arti, zur Seite, um deren Lücken zu füllen.
Während Bossi bemüht ist, die Bestandsvermehrung durch Ankäufe sowie durch eine ausgefallene Auswahl der Werke zu realisieren, verkörpert Appianis Arbeit die laufende Politik: Die Bestandsvermehrung der napoleonischen Museen basiert auf den massiven Requirierungen von Kunstwerken aus den durch Napoleon eroberten Territorien.
Trotz der kulturpolitischen Divergenzen besitzt Bossi während der republikanischen Phase den stärksten Einfluss in den Bereichen der Kunst und kann Appianis Handeln eingrenzen. Am 26. Mai 1805 lässt sich Napoleon jedoch zum König Italiens krönen, setzt eine absolutistische Politik durch. Bossi wird der napoleonischen Herrschaft unbequem. Er tut seinen Unmut öffentlich kund und ist nicht bereit, sich der neuen Regierungspolitik anzupassen, um seine Machtposition zu halten.
Nach einer Kontroverse mit dem Innenminister Ludovico G. A. De Breme und Manipulationen Appianis reicht Bossi am 31. Januar 1807 seinen Rücktritt von der Stelle als Sekretär der Brera ein. Bossis Popularität unter einem großen Teil der Mailänder Elite – vor allem die Freundschaft zu Italiens Vizekönig Eugène de Beauharnais – kommen ihm zugute. Dieser bewilligt mit einem offiziellen Dekret die Gründung einer privaten Kunsthochschule mit Sonderstatus in Konkurrenz zur Brera-Akademie. Die Scuola Speciale di Pittura wird von Bossi geleitet und hat ihren Sitz in dessen Wohnung in Mailand.
Am 24. April 1807 beauftragt ihn de Beauharnais, eine Gemäldekopie von Leonardo da Vincis »Abendmahl« im Refektorium des Dominikanerklosters Santa Maria delle Grazie in Mailand anzufertigen. Dazu muss er zunächst einen Karton in Originalgröße herstellen und das Original rekonstruieren. Es entstehen sogenannte Lucidi, Durchzeichnungen, die in Weimar zu sehen sind.
Zu dieser Zeit leidet Bossi bereits an einer Tuberkuloseerkrankung. Die Verschlechterung seines Zustands gebietet seinem unruhigen Geist jedoch keinen Einhalt. Er arbeitet und studiert rastlos weiter. Im Alter von 37 Jahren stirbt er umgeben von seinen Freunden.
Die reichen Bossi-Bestände der Klassik Stiftung stehen in Mittelpunkt der Ausstellung »Von Leonardo fasziniert – Giuseppe Bossi und Goethe«. Die Werke sind noch bis zum 13. November im Schiller-Museum Weimar zu sehen.