Goethe, Bossi und Leonardo da Vincis »Abendmahl«
Giuseppe Bossi sei »von der Natur begabt mit schönen Fähigkeiten«, besonders aber mit »Neigung und Geschick zur bildenden Kunst ausgestattet«, schrieb Goethe 1818 über den italienischen Maler. An Leonardo da Vincis Werk scheine er seine Fähigkeiten ausgebildet und geschult zu haben. Goethe war begeistert von Bossis Zeichnungen. Besonders seine Kopien von Leonardo da Vincis »Abendmahl« faszinierten ihn und regten ihn selbst zu einem intensiven Studium des Wandgemäldes an.
Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach hatte 1817 große Teile des Bossi-Nachlasses von seiner Reise in die Schweiz und nach Oberitalien mitgebracht, darunter 71 Pausen, die Bossi nach verschiedenen Kopien des »Abendmahls« von Leonardo angefertigt hatte.
Im April 1818 veröffentlichte Goethe in »Ueber Kunst und Althertum« einen umfangreichen Aufsatz über Giuseppe Bossis Versuch, »in einer wohldurchdachten Kopie das berühmte Bild Leonards da Vinci, das Abendmahl des Herrn, wiederherzustellen, damit solches in Mosaik gebracht und für ewige Zeiten erhalten würde«. Bossi war 1807 vom Vizekönig Italiens, Eugène de Beauharnais, beauftragt worden, die Vorlage für ein maßstabsgetreues Mosaik von Leonardos Meisterwerk zu schaffen.
Bereits 1788, als Goethe das Abendmahl zum ersten Mal in Mailand besichtigte, war es schwer beschädigt und überformt. Allein deshalb schätzte Goethe Bossis Vorhaben hoch ein, das Original möglichst ursprünglich zu rekonstruieren.
Da er ein »gänzlich verdorbenes, übermaltes Original« nicht zur Grundlage seines Vorhabens wählen konnte, studierte und zeichnete Bossi die vorhandenen Kopien und »suchte möglichst in den Geist seines großen Vorgängers einzudringen und dessen Absichten zu erraten«, um schließlich, so Goethe, »durch Urteil, Wahl und Gefühl geleitet« die Arbeit zu vollenden.
Da die bereits vorhandenen Kopien des Abendmahls eher Interpretationen glichen, kombinierte Bossi jene Aspekte, die er als dem Original am ehesten entsprechend beurteilte, um dem Urbild möglichst nahe zu kommen.
»Er hatte die Köpfe der Kopie von Ponte Capriasca und einige andre Teile derselben nachgezeichnet, ferner die Köpfe und Hände der Kopie von Castellazzo und der von Bianchi. Nun zeichnet er alles nach, was von Vinci selbst, ja sogar was von einigen Zeitgenossen herstammt«, schrieb Goethe.
Die im Original zerstörten Teile, wie die Darstellung der unter dem Tisch hervorschauenden Füße, konnte Bossi nur anhand von Schriften und seiner eigenen künstlerischen Intuition rekonstruieren.
Heute ist das nach Bossis Vorlage von Giacomo Raffaelli zwischen 1810 und 1818 umgesetzte Mosaik in der Wiener Minoritenkirche zu sehen. Das Original hingegen sei, geschädigt durch Vandalismus, Nässe sowie von »kunstschänderischer Hand« mehrfach übermalt, so gut wie verloren, urteilte Goethe damals.
Lediglich eine Spur des Meisterwerks sei noch vorhanden und die solle »zum traurigen, aber frommen Andenken« künftiger Generationen aufbewahrt werden.
Die reichen Bossi-Bestände der Klassik Stiftung stehen in Mittelpunkt der Ausstellung »Von Leonardo fasziniert – Giuseppe Bossi und Goethe«. Die Werke sind vom 26. August bis 13. November im Schiller-Museum Weimar zu sehen.