»O ja, bis an die Sterne weit!« –
Goethes Faust im Weltall
26. August 1978. Es ist früher Abend am Weltraumbahnhof Baikonur in der kasachischen Steppe. Die Kosmonauten Waleri Bykowski und Sigmund Jähn erwarten den Start ihres Raumschiffs Sojus 31. Um 17.51 Uhr und 49 Sekunden ertönt, beinahe feierlich, die Stimme des Flugleiters: „Podjom!“ (Aufstieg). Ein starker Ruck erfasst die Trägerrakete. Wie aus der Ferne ist ein dumpfes Grollen zu vernehmen, das schnell näher und näher kommt und immer lauter wird. Die 300 Tonnen schwere Rakete beginnt zu vibrieren und der sanfte Stoß des Beschleunigungsandrucks im Rücken der beiden Raumfahrer teilt ihnen mit, dass sie sich aus der Verankerung gelöst hat und nun unaufhaltsam nach oben drängt. In 12.000 Metern Höhe durchbricht sie die Schallmauer. Etwa 10 Minuten dauert die Aufstiegsphase vom Start bis zum Einschwenken in die Umlaufbahn. Die Geschwindigkeit erhöht sich auf 28.000 Kilometer pro Stunde. Auf den Körpern der Kosmonauten lastet das Achtfache ihres Gewichts. Mit der 450. Sekunde wird es schlagartig dunkel. Jähn und Bykowski fliegen in die kosmische Nacht hinein, unter sich die in zartem, lebendigen Blau leuchtende Atmosphäre der Erde. In 230 Kilometern Höhe erreichen sie die Umlaufbahn und treten in die Schwerelosigkeit ein. Sie sind jetzt 1.600 Kilometer vom Startplatz entfernt.

Diese kleine Ausgabe von Goethes »Faust« umkreiste mit Sigmund Jähn vor 40 Jahren die Erde.
Sigmund Jähn ist der erste Deutsche im Weltall, als er vor 40 Jahren seine achttägige Mission antritt. In seinem Reisegepäck befindet sich auch eine kleine Buchausgabe von Johann Wolfgang von Goethes „Faust“ mit Illustrationen von Josef Hegenbarth. Sie besteht aus drei aufwendig gestalteten Miniaturbänden in einem mit Kunstleder überzogenen Pappschuber. Gedruckt und gebunden wurde die Ausgabe 1975 im Leipziger Verlag Offizin Andersen Nexö. Sigmund Jähn erhält das Exemplar wenige Tage vor dem Start vom Botschafter der DDR in Moskau. Zusammen mit einigen anderen symbolträchtigen Gegenständen soll es den ersten deutschen Weltraumflug begleiten.

Diese kleine Ausgabe von Goethes »Faust« umkreiste mit Sigmund Jähn vor 40 Jahren die Erde.
Nach weiteren 10.000 Kilometern Flug und 25 Stunden erreicht Sojus 31 die Orbitalstation Salut 6. Sigmund Jähn und Waleri Bykowski führen hier eine Woche lang verschiedene Experimente durch. Die Rückkehr zur Erde erfolgt am 3. September 1978 im Raumschiff Sojus 29. Insgesamt dauert der Weltraumflug der beiden Kosmonauten und auch der kleinen Faust-Ausgabe 188 Stunden, 49 Minuten und 5 Sekunden. Sie umrunden 125 Mal die Erde und legen 5.235.262 Kilometer zurück.

Sigmund Jähn besuchte am 30.01.1979 Weimar und das Goethehaus am Frauenplan.
Bereits wenige Monate nach seiner Reise ins All, am 30. Januar 1979, besucht Sigmund Jähn die Stadt Weimar und das Goethe-Nationalmuseum. Wieder mit im Gepäck: die kleine Faust-Ausgabe. Alle drei Bände wurden von den Kosmonauten signiert. Sigmund Jähn schenkt sie dem Museum, um am Ort der Entstehung des weltweit bekanntesten Werks der deutschen Literatur an den Weltraumflug zu erinnern. Er ist gelernter Buchdrucker.

Die von den Kosmonauten signierte Faust-Ausgabe befindet sich in den Sammlungen der Klassik Stiftung.
Zweifellos zählen die drei Miniaturbände, die den ersten deutschen Raumfahrer im Weltall begleiteten, zu den ganz besonderen Faust-Ausgaben im Besitz der Klassik Stiftung Weimar. Wir gratulieren zum 40. Flugjubiläum!
Die Beschreibung des Starts wurde frei zitiert aus: Sigmund Jähn: Erlebnis Weltraum, Berlin, Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, 1983.
Ein kleines Gedicht über SIGMUND JÄHN:
EIN DEUTSCHER WELTRAUMPIONIER
Von Morgenröthe-Rautenkranz ins All,
Aus dem Erzgebirge um den Erdball;
Der erste Deutsche im Weltraum
Erfüllt sich einen Jugendtraum.
Begeistert geht er an die Mission,
Erntet langer harter Arbeit Lohn.
Das Land feiert die mutige Tat,
Als Sieger wähnt sich der Staat.
Die Partei sonnt sich in seinem Glanze,
Ihm ist wohl eher peinlich das Ganze.
Der Fliegerkosmonaut muss reisen,
Republik und Sozialismus preisen.
Er hatte allen Grund stolz zu sein,
Sein Name geht in die Annalen ein.
Er hat Raumfahrtgeschichte geschrieben,
Doch schwebte er nicht auf Wolke Sieben;
Sein Herz ist im Vogtland geblieben.
Rainer Kirmse , Altenburg
Mit freundlichen Grüßen