Goldschlei

Pirol

Hamster

Tanne

Kalinkebeeren

Löffelreiher

Kuhmaul

Hausmarder

Zaunwinde

Hecht

Naturfreund

Kupferschlange

Veränderliche Kröte

Klapperrose

Heerschnepfe

Purpurreiher

Blauer Kuhweitzen

Bienenfresser

Wasser Schwerdtel

Nach dem Brand: Der „Naturfreund“ kommt nach Weimar

Text: Johanna Seidt und Claudia Streim

Bilder: F.G. Endler: Der Naturfreund. 1809-1831

Die Freude ist groß: Der Herzogin Anna Amalia Bibliothek  in Weimar gelingt es, auf der Stuttgarter Antiquariatsmesse mit dem „Naturfreund“ eine wahre Rarität zu erwerben und kann so einen schmerzlichen Brandverlust ersetzen.

Es ist kurz vor 12 Uhr. Eine angespannte Atmosphäre herrscht im Kunstgebäude des Württembergischen Kunstvereins am Stuttgarter Schlossplatz. Bis zu hundert Bücherfreunde und Sammler drängen sich im Vorraum hinter den Absperrungen, viele stehen noch vor der Tür. Ein Durchkommen bis zur Kasse ist zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr möglich. Wer nicht spätestens eine halbe Stunde vorher da gewesen ist, muss sich vor dem Gebäude in die Schlange stellen. Es heißt warten. Worauf? Auf den Beginn der Stuttgarter Antiquariatsmesse, der ältesten Antiquariatsmesse Deutschlands. Gemeinsam mit der parallel stattfindenden Antiquaria in Ludwigsburg ist sie ein absoluter Jahres-Höhepunkt nicht nur unter Bibliophilen, sondern auch für den internationalen Buch- und Kunsthandel sowie für Bibliotheken mit historischen Sammlungsbeständen.

“Der Naturfreund” von Friedrich Gottlieb Endler. Foto: Klassik Stiftung Weimar

Jedes Jahr im Januar bieten in Stuttgart mehr als 70 Ausstellerinnen und Aussteller einem breiten Publikum ihre Schätze an: wertvolle Autographen, Graphiken und Bücher. Viele von ihnen sind wahre Raritäten, extra aufgehoben von ihren Verkäufern für diese Messe, um sie hier unter einigem Aufsehen präsentieren und natürlich verkaufen zu können.

Auch Bibliotheken, Museen und Archive zählen zu den Kunden, die ihre Sammlungen gerne um das eine oder andere seltene Objekt ergänzen möchten. Seit dem Brand 2004 ist auch die Herzogin Anna Amalia Bibliothek Stammgast auf der Stuttgarter Antiquariatsmesse. Schon viele Brandverluste konnten durch Ankäufe auf dieser Messe ersetzt werden.

Die höchste gezogene Nummer gewinnt

Pünktlich 12 Uhr wird die Absperrung endlich aufgehoben und die eben noch ungeduldig wartenden Buch- und Kunstinteressierten strömen in die Messeräume zu den Ständen mit ihren verheißungsvollen Auslagen. Da in der Vergangenheit das Motto „Wer zuerst kommt, darf kaufen“ zu einem wahren Wettrennen geführt hatte, bei dem Vitrinen und Regale ernsthaft ins Schwanken kamen und Streitigkeiten unter den Besuchern nicht ausblieben, einigte man sich 2008 auf ein Losverfahren: Die besten Stücke, die der Messekatalog jedes Jahr vorstellt, dürfen in den ersten 45 Minuten nach Eröffnung nur reserviert, aber nicht gekauft werden.

Alle Interessierten bekommen eine Liste vorgelegt, um sich für das gewünschte Objekt einzutragen. Stehen mehrere Käufer auf einer Liste, entscheidet anschließend ein Losverfahren über den zukünftigen glücklichen Besitzer. Ein Komitee der Messeleitung hält dafür an jedem Stand ein Gefäß mit Losen bereit, aus dem alle Kaufwilligen ein Los ziehen müssen. Die höchste gezogene Nummer gewinnt.

Doch in Zeiten einer weltweiten Pandemie war auch in Stuttgart in diesem Jahr alles anders. Die Messe wurde ins Internet verlegt, und das alte Prinzip „Wer zuerst kommt, darf kaufen“ trat wieder in Kraft. Nach anfänglichen Serverproblemen standen bald die schönsten Bücher, Graphiken und Autographen auf einer extra eingerichteten virtuellen Messeseite online. Nun hieß es, schnell zu sein und bei Kaufinteresse den Antiquar oder die Antiquarin umgehend zu benachrichtigen.

Auch die Expertinnen und Experten der Herzogin Anna Amalia Bibliothek saßen vor den Rechnern und hielten nach Büchern für ihre Sammlungen Ausschau. Beim Amsterdamer Antiquariat Junk wurden sie fündig.

Ein illustriertes Meisterwerk der Goethezeit

Als hätte ihn der Ruf des breit angekündigten Themenjahres “Neue Natur” der Klassik Stiftung aus einem tiefen Dornröschenschlaf erweckt, gelangt der „Naturfreund“ das erste Mal seit mehr als 40 Jahren wieder in den Antiquariatshandel. Es handelt sich dabei um ein elf-bändiges Werk des schlesischen Kupferstechers Friedrich Gottlob Endler (1763 bis ca. 1830) mit zahlreichen schön gearbeiteten und handkolorierten Kupferstichen aus dem frühen 19. Jahrhundert.

15 Jahre lang arbeitete Endler, über dessen Biographie sehr wenig bekannt ist, mit großer Akribie und Geduld an diesem, seinem populärsten Werk. 1814 musste er bei den Verlegern um Geduld bitten, weil er durch eine schwere Erkrankung zeitweise seiner Arbeit nicht mehr nachgehen konnte, doch zehn Jahre später konnte er sein Werk beenden. Als Sohn eines Gärtners, der offenbar auch naturkundlich sehr belesen war, ermöglicht Endler heute einen der frühesten und umfassendsten Einblicke in Flora und Fauna Schlesiens um 1800.

Der Naturfreund kommt nach Weimar

Für die Herzogin Anna Amalia Bibliothek bot sich mit diesem Ankauf eine einmalige Chance, eine Lücke in den historisch gewachsenen Sammlungsbeständen zu schließen. Denn der “Naturfreund” ist nicht nur eine willkommene Ergänzung der seit Jahrhunderten gepflegten Sammlung naturgeschichtlicher Literatur, es handelt sich bei diesem Titel auch um einen der vielen schmerzlichen Verluste aus der Nacht des Bibliotheksbrands im September 2004.

Mittlerweile hat der “Naturfreund” die Aufregung der Antiquariatsmesse hinter sich gebracht und ist den üblichen Geschäftsgang in seinem neuen Zuhause angetreten: Voller Freude über die Ankunft aus dem gut gesicherten Paket ausgepackt und durch die Mitarbeiterinnen der Konservierung professionell gereinigt, wurden die Bände bald durch die Bibliothekarinnen verzeichnet und in den Bibliothekskatalog eingearbeitet.

Im Tiefmagazin der Bibliothek hat sich der “Naturfreund” zu den vielen anderen spannenden naturwissenschaftlichen Werken gesellt und steht nun für künftige Forschungsarbeiten von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus aller Welt zur Verfügung.

Wer nicht nach Weimar und in die Bibliothek kommen kann, um die Bände selbst in den Händen zu halten, dem sei ein Blick in in die digitalen Sammlungen der HAAB empfohlen. Hier kann zu jeder Zeit und an jedem Ort im “Naturfreund” geblättert werden.

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