Heumahd vor Goethes Gartenhaus

Zwei Mal im Jahr weiden Schafe im Park an der Ilm

Die Beweidung durch Schafe ist für die Artenzusammensetzung der Wiesen optimal

Blick auf den Park an der Ilm

Schafe weiden vor Goethes Gartenhaus

„Historische Parkanlagen sind reich an Biodiversität“

Wir haben mit Franziska Rieland, Referentin für Gartendenkmalpflege und Katrin Luge, Bereichsleiterin Park an der Ilm, darüber gesprochen, welche Naturschutzmaßnahmen in den Gärten und Parks der Klassik Stiftung umgesetzt werden.

Inwiefern spielt Naturschutz in den Parks der Klassik Stiftung eine Rolle?

Franziska Rieland:  Der Park an der Ilm ist, wie auch viele andere unserer Anlagen, denkmalgeschützt. Das heißt, der Park ist in seiner Gesamtheit und mit all seinen Gestaltungselementen ein Zeugnis aus vergangener Zeit, das rechtlich geschützt und zu erhalten ist.  Seit der Entstehung des Parks wird er gärtnerisch gepflegt. Bei der Pflege des Parks spielen ökologische Anforderungen sowohl in den übergeordneten Zielen als auch im Detail eine große Rolle. Was Pflanzen angeht, wird beispielsweise sehr viel Aufwand für den Schutz und Erhalt von Altbäumen betrieben, die selbst wichtige Habitate für andere Lebewesen sind. Auch auf der Ebene der Lebensgemeinschaften haben wir im Park an der Ilm sehr viele ökologisch hochwertige Biotope wie gräser- und krautreiche Wiesen, extensive Gehölzbereiche und natürlich belassene Uferzonen vorzuweisen. Bei konkreten Pflegemaßnahmen wird etwa durch die Wahl des Zeitpunkts auf besondere Anforderungen zum Schutz von bestimmten Tierarten Rücksicht genommen und eine pestizidfreie Pflege durchgeführt. Zur Pflege eines Gartens gehört es aber selbstverständlich auch, Wiesen zu mähen, Gehölze durch Schnitte immer wieder zu verjüngen und einen Altbaum, wenn er nicht mehr erhalten werden kann, zu fällen und durch eine Neupflanzung zu ersetzen.

In Gartendenkmalen dürfen grundsätzlich keine baulichen Maßnahmen erfolgen, die die historische Substanz und das Erscheinungsbild des Parks beeinträchtigen. Es kann aber sein, dass auf der Basis von wissenschaftlich ausgearbeiteten Grundlagen einzelne Rodungen erfolgen, weil jüngere Sträucher oder Bäume beispielsweise nicht auf historisch belegten Standorten stehen, die gartendenkmalpflegerische Empfehlung aber vorsieht, einen bestimmten historischen Zustand wieder herauszuarbeiten. In solchen Fällen kann es dazu kommen, dass wir sagen müssen: „Wir betreiben Denkmalpflege und die ist an dieser Stelle höher zu bewerten, als der einzelne Baum.“

Blick auf den Park an der Ilm

Blick auf den Park an der Ilm

Katrin Luge: Wenn es um die ganz normale Pflege der Bäume geht, hatten wir schon den Aufwand erwähnt, der nötig ist, um Altbäume zu erhalten. Hier haben Naturschutz und Denkmalpflege meist das gleiche Ziel – den Altbaum so lange wie möglich zu erhalten. Da aber alte Bäume nicht mehr so vital und deswegen anfälliger für Krankheiten sind, haben sie häufig auch viele Schäden. Baumbereiche sterben ab und müssen entfernt werden. Dabei kommt es dann manchmal darauf an, wie dieses Entfernen geschieht – mit einem geraden Schnitt mit der Kettensäge oder vielleicht in einer anderen Art und Weise. In Ettersburg haben wir versucht, abgestorbene Äste nicht einfach abzusägen, was eine künstlich anmutende Schnittkante nach sich gezogen hätte, sondern die trockenen Äste stattdessen abzubrechen und so eine natürlich erscheinende Situation nachzustellen. Damit wird die Bildwirkung weniger beeinträchtigt, denn ein sogenannter englischer Landschaftsgarten versucht künstlich und künstlerisch die Natur nachzuahmen.

Rieland: Bei dem Thema Bäume spielt neben ökologischen und denkmalpflegerischen Kriterien auch die Verkehrssicherheit eine Rolle. Als Eigentümerin öffentlich zugänglicher Parkanlagen sind wir verpflichtet, Wege verkehrssicher zu machen. Das bedeutet, dass die Bäume regelmäßig auf Schäden kontrolliert werden und  erkennbare, von ihnen ausgehende Gefahren durch herunterfallende Äste, herausbrechende Kronenbereiche oder Umstürze beseitigt werden müssen. Das wäre in einem Nationalpark oder Naturreservat nicht notwendig. Natürlich würden wir die Bäume gerne so lange wie möglich stehen und altern lassen, ohne Schnitt, aber das ist fast gar nicht mehr möglich, weil wir einen intensiv genutzten Park und so ein engmaschiges und umfangreiches Wegesystem haben.

Sie sehen also keinen Widerspruch zwischen Naturschutz und Gartendenkmalpflege?

Luge: Nein, da sehe ich keinen Widerspruch.

Rieland: Sehr viele Studien zeigen auch, dass gerade historische Anlagen reich an Biodiversität sind. Und das nicht, weil die ganze Zeit wie verrückt versucht wird, Naturschutz umzusetzen, sondern weil die Anlagen so alt und wertvoll und in kontinuierlicher Pflege sind. Wir sehen also nicht, dass Naturschutz und Denkmalschutz sich ausschließen, sondern wir sehen uns als Eigentümer von Anlagen, in gewisser Weise Refugien, die in dieser Hinsicht doppelt wertvoll sind. Wir sind froh um die Biodiversität in unseren Anlagen und versuchen alles, diese zu erhalten. Doch die Anforderungen der Verkehrssicherheit erschweren das.

Zwei Mal im Jahr weiden Schafe im Park an der Ilm

Zwei Mal im Jahr weiden Schafe im Park an der Ilm

Können Sie ein paar konkrete Naturschutzmaßnahmen nennen?

Luge: Bei den Gehölzen schauen wir zum Beispiel immer, ob Fledermäuse in den Bäumen leben, damit wir das bei Schnittmaßnahmen beachten. Zudem ist nicht immer gesagt, dass wir einen toten Baum direkt fällen. Wenn es am Standort möglich ist, lassen wir den ganzen Torso stehen, damit sich dort Käfer ansiedeln können und den Baumstamm zersetzen. Bei der Wiesenmahd achten wir darauf, welche Maschinen eingesetzt werden und halten uns an den Mähzeitpunkt: Vor dem 15. Juni werden die Wiesen nicht gemäht, damit sie ausblühen können. An den Hängen versuchen wir nur einmal pro Jahr zu mähen, damit wir die Flora, die wir dort besitzen, erhalten können. Deswegen sind wir auch bestrebt, die Heumahd weiterhin durchzuführen. Das heißt, wir mähen einmal jährlich und danach kommt zwei Mal der Schäfer.

Sind die Schafe Teil der Naturschutzmaßnahmen?

Luge: Mit den Schafen wollen wir eine Bewirtschaftungsform zeigen, wie sie früher bestand. In dieser Form gibt es das heute kaum noch. Und für uns ist es auch von Vorteil, weil wir sonst noch eine zweite oder dritte Mahd durchführen müssten und unsere Flächen durch die großen und schweren Maschinen immer mehr verdichten würden. Die Schafe kommen uns da also entgegen. Wir düngen unsere Wiese außerdem nicht – was bleibt, ist der natürliche Dünger der Schafe.

Rieland: Die Beweidung in historischen Gärten knüpft nicht nur an historische Bewirtschaftungsformen an und ist auch aus heutiger Sicht gut für die Wiesenpflege, sie ist außerdem typisch für die Landschaftsgärten des 18. und 19. Jahrhunderts, in denen programmatisch das Schöne mit dem Nützlichen verbunden werden sollte. Dabei war das Schöne zum Beispiel das Bild eines Arkadien im Sinne antiker Quellen, das durch Weidetiere in Parks hervorgerufen und ganz bewusst eingesetzt wurde und das Nützliche beispielsweise die Nutztierzucht. Es ist wirklich wunderbar, dass wir das mit den Schafen bei uns machen können, das gibt es nicht in vielen historischen Anlagen! Sicher ist das auch für unsere Artenzusammensetzung der Wiesen optimal. Uns wurde von Biologen bescheinigt, dass unsere Wiesen sehr vielfältig, sehr alt und sehr wertvoll sind.

Die Beweidung durch Schafe ist für die Artenzusammensetzung der Wiesen optimal

Die Beweidung durch Schafe ist für die Artenzusammensetzung der Wiesen optimal

Gibt es Bereiche in den Parks, die ganz der Natur überlassen werden?

Luge: Einige Bereiche wollen wir als Biotop stehen lassen und nicht beziehungsweise kaum bewirtschaften. Im Park an der Ilm wäre das zum Beispiel ein Wäldchen bei der Villa Haar bis zum Dichterweg. Aber da ist das Problem, dass wir dort unheimlich viele Trampelpfade haben. In dem Moment, in dem sich dort Besucher aufhalten, kommen wir wieder in das Dilemma der Verkehrssicherheit.

Rieland: Das ist wirklich der Zwiespalt zwischen Besuchern und Naturschutz. Sobald die Fläche genutzt wird, haben wir als Eigentümer die Pflicht, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Wir müssten dann die Bäume runterscheiden, alle potenziellen Gefahren beseitigen. Heißt: Das, was für viele Organismen und Tiere so wertvoll wäre, totes Holz etwa, müssen wir entfernen. Auch aus diesem Grund sind fast alle unserer Parkwiesen keine Liegewiesen und sollen nicht betreten werden. Denn neben dem notwendigen und nicht mit Hundekot verunreinigten Futter für die Schafe kann dort die Artenvielfalt überleben und die Bäume können in Würde und morbider Schönheit altern.

Luge:  Dem allen gerecht zu werden, geht nur mit viel Fingerspitzengefühl und mit viel Erfahrung.

Abonnieren Sie hier unseren Blog!

Mehr zum Thema:

Herbst in der Orangerie Belvedere

Das Gartenkunstwerk ist wieder komplett

Zwischen Überschwemmungen und Dürren