Liebhabertheater
startet in die Saison
Mit dem Jahresthema »Vergangen nicht, verwandelt ist was war« (Rainer Maria Rilke) startet das Liebhabertheater Schloss Kochberg in die Saison 2016. Wir haben mit der Theaterleiterin Silke Gablenz-Kolakovic und dem Regisseur Nils Niemann gesprochen.
In diesem Jahr haben Sie sich für »Der Misanthrop oder Der verliebte Melancholiker« von Molière entschieden. Die Komödie ist Teil des Rahmenprogramms der Ernestiner-Landesausstellung. Wo sehen Sie die Verbindung zwischen Molière und den Ernestinern?
Silke Gablenz-Kolakovic: Die Ernestiner waren große Förderer von Kunst und Kultur. In der Ausstellung können viele Werke bestaunt werden, die davon Zeugnis geben. Einen wichtigen, von den Ernstinern in Weimar, Gotha und Meiningen gepflegten Zweig der Kunst kann man allerdings nicht in einer Ausstellung zeigen: die Bühnenkunst; eine flüchtige Kunst, die wir immer nur für Augenblicke zum Leben erwecken können.
Unter Goethes Leitung errang das Weimarer Hoftheater eine deutschlandweite Bedeutung.
Unsere Aufführung orientiert sich an dieser Zeit.
Goethe attestierte Molière eine »vollkommene Bretterkenntnis«. »Ich kenne und liebe Molière seit meiner Jugend und habe während meines ganzen Lebens von ihm gelernt…«, so Goethe im Gespräch mit Eckermann am 28. März 1827.
Molières Komödie »Der Misanthrop« führt uns in die höfische Gesellschaft des Barock. Die Konstellationen sind jedoch zeitlos und nicht nur die Zuschauer zu Molières Lebzeiten oder des Weimarer Hoftheaters im ausgehenden 18. Jahrhundert konnten sich darin wiederfinden.
Auch wir heute meinen, uns bekannte Typen und Situationen gesellschaftlichen Lebens darin zu erkennen.
Das Stück wird wie zu Zeiten des Weimarer Hoftheaters im späten 18. Jahrhundert aufgeführt. Was reizt Sie an der historischen Aufführungspraxis?
Silke Gablenz-Kolakovic: Als Theater an der Klassik Stiftung nehmen wir die Aufgabe wahr, Bühnenwerke und Musik aus dem 18. und 19. Jahrhundert in unserem einzigartigen historischen Privattheater in möglichst authentischer Form aufzuführen.
Ort und Aufführung verschmelzen hier zu einem stimmigen Gesamtkunstwerk.
Wenn wir Konzerte auf Originalinstrumenten ihrer Entstehungszeit hören oder ein Bühnenwerk den Schauspielregeln der Uraufführungszeit entsprechend auf der Bühne erleben, erhalten wir einen Eindruck dessen, was der Komponist oder Autor sich dachte.
Entgegen den Erwartungen mancher ist die historische Bühnenkunst ganz und gar nicht langweilig oder steif, wie uns darin geschulte Regisseure wie Nils Niemann oder Sigrid T`Hooft zeigen.
Es ist vielmehr ein wunderbares ästhetisches Erlebnis. Jedes Stück, ganz gleich ob Oper oder Schauspiel, wirkt wie ein stimmiges bewegtes Gemälde und ist dabei oft auch ausgesprochen lustig.
Welchen Herausforderungen müssen sich die Schauspieler stellen? Unterscheidet sich die »Spielweise«?
Nils Niemann: Die Schauspieler stehen vor der Herausforderung, natürlich und locker, aber nicht naturalistisch zu agieren. Die Spielweise ist darauf ausgelegt, das Typische an menschlichen Verhaltensweisen zu betonen und so zu agieren, dass der Zuschauer ein stimmiges Tableau vor Augen hat.
Demzufolge sind Gang, Haltung Gestik stilisiert. Viele Bewegungen erinnern an Pantomime und Tanz.
Auch müssen die Darsteller lernen, sich so zu bewegen und zu sprechen, dass nicht nur der Bühnenpartner, sondern zugleich der Zuschauer mimisch und gestisch angesprochen wird. Es gibt also keine »vierte Wand«, sondern es gilt, was Goethe formulierte:
»Die Bühne und der Saal, die Schauspieler und die Zuschauer machen erst ein Ganzes«.
Ein anderer Unterschied zu moderner Spielweise liegt im Respekt vor der formalen Struktur des Originaltextes. Die Plastizität der Bilder, der Drive von Reim und Vers sind Teil der inhaltlichen Aussage. Auch hier gilt es, formal präzise und gleichzeitig leicht und schwungvoll zu agieren
Für das Stück wurden maßgefertigte Kostüme hergestellt. Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Silke Gablenz-Kolakovic: Wir nehmen es bei unseren Opern-, und Schauspielproduktionen sehr genau. Unsere Inszenierung von »Der Misanthrop« orientiert sich an der Zeit um 1786 bis 1789. Für die Kostüme haben wir Vorbilder aus dem »Journal des Luxus und der Moden« des Weimarer Verlegers Bertuch aus diesen Jahrgängen ausgewählt.
Die Spezialistin Kristina Weiß ließ sich von diesen Vorbildern inspirieren. Sie hat für uns auch die Kostüme für Goethes Singspiel »Erwin und Elmire«, vertont von Herzogin Anna Amalia, entworfen und hergestellt, das wir ebenfalls im Rahmen der Ernestiner-Ausstellung zeigen.
Sie inszenieren im Liebhabertheater nach Goethes Schauspielregeln. Was genau umfassen diese?
Nils Niemann: Goethe unterteilte seine »Regeln für Schauspieler« in Hinweise zur Sprache und zur Körperbewegung. Inhaltlich orientierte er sich an klassischen Vorbildern wie Quintilians Rhetorik aus dem 1. Jahrhundert, aber auch an Gepflogenheiten aus der Theaterpraxis, wie wir sie aus barocken Quellen kennen.
Goethe legte viel Wert auf eine klare, rhetorisch ausdrucksvolle und plastisch modulierte Sprache.
Im zweiten Teil gibt er Anweisungen zu einer harmonischen, flexiblen Körperhaltung, zum Gebärdenspiel, zum Dialogsprechen und zum Arrangement von Personen auf der Bühne.
Gerade auf einer kleinen Bühne wie der des Liebhabertheaters Schloss Kochberg, in der jede kleine Bewegung sichtbar und von Bedeutung ist, sind seine Hinweise zu einem ästhetischen und ökonomischen Einsatz von Körperstellung und Gestik immer noch wertvoll.
Goethe ging es darum, eine falschverstandene Natürlichkeit in der Darstellung zu vermeiden.
Insbesondere kritisierte er alle Gewohnheiten, die das Spiel plump, ungeschickt oder zufällig erscheinen lassen würden. Allerdings wies er auch darauf hin, dass man in der Komödie bei bestimmten Charakteren gegen Regeln verstoßen darf.