Goethe, Schiller und die Weimarer Klassik · Goethe- und Schiller-Archiv
Von Goethes Grütze und
Liszts Konserven
Goethe aß morgens gern Grütze, Liszt griff auf Konserven zurück und Wieland bewirtete mehrere Husaren mit reichlich Wein. Drei Geschichten aus dem Goethe- und Schiller-Archiv.
Goethes Bestellung von Dresdner Grütze und italienischer Pasta
Morgens genoss Goethe gern Dresdner Grütze. Der Buchweizen (Heidekorn), der dafür zerkleinert und in heißer Bouillon gekocht wurde, stammte von den vergleichsweise mageren Böden der Lausitz und den rechtselbischen Gebieten Ostsachsens und wurde in Dresden gehandelt. Später am Tag kamen bisweilen Makkaroni auf den Tisch, die damals übliche Bezeichnung für alle in verschiedene Formen gepressten Nudeln aus feinem Grieß, die mit dem für Goethe dabei unentbehrlichen Parmesan serviert wurden. Auch diese besonderen Teigwaren ließ er sich immer wieder aus Dresden mitbringen. Über die Jahre verrichteten wechselnde Personen diese Botendienste: Im Spätsommer des Jahres 1794 war es der befreundete Schweizer Maler und Weimarer Hausgenosse Johann Heinrich Meyer.
»Was die niedern Bedürfnisse betrifft, bitte
ich zur Grütze noch von jeder Nudel Sorte ein
Pfund packen zu lassen, auch einige Zettel
der Fabrick Adresse und Behandlung der Nudeln.«
Die Dresdner Nudelmühle an der Ostra-Allee war für die gute Qualität ihrer Produkte seit langem weithin bekannt. Schon seit Mai 1764 produzierte und verkaufte dort Antoni Bertoldi mit obrigkeitlicher Erlaubnis »Italianische Maccaroni«, die nördlich der Alpen seit den frühen 1730er Jahren immer beliebter geworden waren. Die im Katalog von 1790 abgedruckten ›Regeln zum Kochen‹ zeigen, dass die Kenntnis, wie die in vielen Formen angebotenen Teigwaren zuzubereiten seien, auch im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts noch nicht zum gängigen kulinarischen Wissen gehörte. Aus heutiger Sicht überraschen die langen Kochzeiten.
Liszts Konservenbestellungen
Im Nachlass des berühmten Klaviervirtuosen und Komponisten sucht man vergebens nach Kochbüchern oder Backrezepten. Zeit seines Lebens war er auf Reisen. Ein Familienleben mit guter Hausmannskost kannte er wohl nur aus seinen ersten Lebensjahren im ungarischen Raiding, bis die Eltern mit ihm das Dorf verließen und Liszts Karriere als »Wunderkind« begann.
Die Angebotszettel von Konservenfabriken und Preislisten, die sich unter den persönlichen Papieren Listzs erhalten haben, stammen aus seiner Weimarer Zeit ab 1869. In seinem Domizil in der ersten Etage der Hofgärtnerei, das Großherzog Carl Alexander für die Aufenthalte seines »Meisters« in der Klassikerstadt eingerichtet hatte, gab es keine Küche. Liszt speiste bei Hofe oder gemeinsam mit seinen Klavierschülern in den Wirtshäusern der Stadt. In den letzten Lebensjahren bestellte er gern bei Hoflieferanten und Delikatesswarenhändlern Konserven, die ihm bei Bedarf in der kleinen Hofgärtnerküche im Erdgeschoss des Hauses zubereitet werden konnten.
Die Methode, Nahrungsmittel in luftdicht verschlossenen Gefäßen durch Erhitzen auf lange Zeit haltbar zu machen, war von dem Franzosen Nicolas Appert (1749–1841) entwickelt worden, wofür ihm Kaiser Napoleon I. im Jahre 1810 einen Ehrenpreis von 12.000 Francs verlieh. Bereits um 1845 warben in Deutschland Konservenfabriken für ihre Produkte. Die Gebrüder Grahe, die seit 1863 den berühmten Braunschweiger Spargel in Dosen konservierten, konnten 1873 ihr erstes großes Fabrikgebäude errichten und durch den Einsatz des hocheffizienten Autoklavs das Sortiment bedeutend erweitern.
Auf einem Angebotszettel der Firma aus dem Jahre 1883 strich Liszt mit Blaustift seine Wünsche an: Erbsen und Karotten, Bohnen, Hasen- und Schinkenpastete, marinierte Austern, Rehbraten, Mocturtle-Ragout in Madeira und Compôt-Früchte in Zucker. Auf Seite 4 orderte er gleich noch »2 Scheeren zum Oeffnen der Dosen zu Mk. 1,50«.
Während seiner späten Budapester Aufenthalte bewohnte Liszt einige Räume im Gebäude der Königlich-Ungarischen Musikakademie, der er seit 1875 als Präsident vorstand. Hier unterrichtete er, wie in Weimar, begabte Pianisten kostenfrei und empfing Gäste aus aller Welt. Am Abend des 7. Marz 1883 besuchte er ein Kammerkonzert im Pester Redoutensaal, in dem das Krancsevics-Quartett und Alfonso Rendano zu erleben waren. Liszt schätzte den jungen kalabrischen Pianisten und Komponisten sehr. Beide kannten sich seit 1880, als Rendano nach Weimar gekommen war, um Liszt seine neusten Kompositionen zur Begutachtung vorzulegen. Möglicherweise waren sie es, die am »Mittwoch, 7ten Marz« 1883 in Budapest gemeinsam speisten – Kalbspörkelt (ungarischer Goulasch) und Poulardenfilet mit Goldrüben.
Eine Weinbestellung Christoph Martin Wielands
Am Abend des 14. Oktober 1806 drangen »6 oder 7 gemeine Husaren« der durchziehenden napoleonischen Armee in Wielands Wohnung ein, wie er in einem Brief an Karl August Böttiger im November berichtet. Seine Einquartierung benahm sich aber untadelig und größter Schaden für Wieland blieben die »paar Dutzend Flaschen Wein«, die das Abendessen begleiteten. Ersatz für den Weinkeller war schnell beschafft. Bei der Erfurter Weinhandlung der Gebrüder Ramann, die neben Goethe und Schiller auch die Philosophen Schelling und Hegel in ihrer Jenaer Zeit regelmäßig belieferten, orderte Wieland »baldmöglichst einen Eimer guten rothen Erlauer«, wobei der Eimer in Erfurt genau 70,9347 Liter maß, in Weimar dagegen 71,71 Liter. Ergänzend zur Lieferadresse ließ er seine am 25. Januar 1803 erworbene Funktion eines »Associé« der kaiserlichen Akademie in Paris angeben, zweifelsohne um die Sicherheit der Sendung im durch die französische Armee kontrollierten Gebiet zu erhöhen.
Der »Erlauer« war ein beliebter Gelegenheitswein, der aus der Gegend um das ungarische Eger (Erlau) stammt. Für besondere Anlässe waren dagegen sicher die »12 Bouteillen« des »besten Burgunders« gedacht, die Wieland nachträglich in die Bestellung einfügte, wobei er deren Anzahl von 6 auf 12 verdoppelte. Den Inhalt seines Weinkellers hatte Wieland offenbar gut im Auge, wie der »Wein-Keller Bestand« aus dem Haushaltsbuch vom 24. Oktober 1803 nahelegt. Bei den 3 Flaschen hundertjährigem Malaga hatte er selbst seine Zweifel, als er in Klammern hinzufugte: »si fabula vera est« (wenn’s denn wahr ist).
Die drei Beiträge von Jutta Eckle, Evelyn Liepsch und Manfred Koltes stammen aus dem Katalog zur Ausstellung »Sardellen Salat sehr gut« (ISBN: 9783737402699), erschienen bei der Weimarer Verlagsgesellschaft, den Sie u.a. hier erwerben können.
Die Ausstellung »Sardellen Salat sehr gut« zeigte bis zum 16. Dezember 2018 Kochbücher, Rezepte und Menükarten aus den reichen Beständen des Goethe- und Schiller-Archivs.