Das Weimarer Stadtschloss am Ende der Monarchie
Noch um 1900 öffnete sich das Weimarer Residenzschloss großzügig zum Park. Pläne des Großherzogs Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach zum Anbau eines Südflügels erregten aufgrund dieses entschiedenen Eingriffs in den Stadtraum Widerspruch in der Öffentlichkeit. Vor allem die örtlichen Vertreter vom Bund für Heimatschutz protestierten in der Presse gegen die Veränderung der aus der Goethezeit stammenden Schlossanlage.
Der Erweiterungsbau und die Einbindung in Stadtraum und Park
Bereits nach der Eheschließung von Wilhelm Ernst mit Prinzessin Caroline von Reuß zu Greiz im Jahr 1903 gab es Überlegungen, für das junge Paar moderne Räume einzurichten. Jedoch starb seine erste Frau sehr früh und die Pläne traten in den Hintergrund. Wenige Jahre später, nach der Hochzeit mit Prinzessin Feodora von Sachsen-Meiningen, kam es zu neuen Plänen für den Erweiterungsbau. Den Auftrag erhielt der Münchner Architekt Max Littmann, der zuvor das Weimarer Hoftheater (heute: Deutsches Nationaltheater) errichtet hatte. Im Frühjahr 1912 präsentierte er einen ersten Entwurf, die genehmigte Ausführungsplanung lag knapp ein Jahr später vor. Bereits am 25. September 1913 wurde das Richtfest gefeiert. Die vollständige Ausführung zog sich dann aber vier lange Jahre hin. Durch die Einschränkungen der Kriegswirtschaft waren nicht nur die Materialien für die hochwertige Ausstattung kaum noch zu beschaffen. Auch die notwendigen Fachkräfte für die moderne Gebäudetechnik standen nicht mehr zur Verfügung. Sie wurden überwiegend an die Front eingezogen.
Die heutige Gestaltung des Areals vor dem Südflügel zeigt nicht mehr die ursprüngliche Situation. Max Littmann entwarf entlang der Südfassade einen ca. 10 m tiefen Vorgarten, der einen Übergang zwischen Gebäude, Park und Stadtraum bildete. Eine architektonisch kräftig ausgebildete Balustrade fasste den Garten ein. Den Zugang zum Hauptportal bildeten zwei Häuschen als Unterstände für die Schlosswache. Der Balkon oberhalb des Portals sollte mit zwei überlebensgroßen Figuren sowie zwei Vasen geschmückt werden, um den Mittelbau stärker zu betonen. Richard Engelmann, der das Atelier für Bildhauerei an der Weimarer Kunstschule leitete, lieferte dafür zwei Entwürfe. Die beiden allegorischen Figuren wurden als Gipsfiguren 1914 probeweise aufgestellt. Zu einer Ausführung kam es aufgrund des Kriegsausbruchs und der Abdankung des Weimarer Fürstenhauses jedoch nicht. Ausgeführt wurde die Darstellung des Falken als Schlussstein des Portalbogens mit der Devise des Ordens vom Weißen Falken »Vigilando ascendimus« (Wachsam steigen wir empor). Die Balustrade des Gartens und die Wachhäuschen sind auf alten Fotos der Nachkriegszeit gut zu erkennen. Offenbar erfolgte jedoch keine Bepflanzung des Gartenparterres.
Nach dem Ende der Monarchie kam es zur ersten Umgestaltung des Vorplatzes. Aus Anlass der 225-Jahrfeier des 5. Thüringischen Infanterie-Regiments Nr. 94 wurde am 9. Oktober 1927 auf der rechten Seite ein fast 10 m hohes Monument eingeweiht. Das Denkmal erinnerte nicht nur an die Geschichte der traditionsreichen Einheit, die während des Ersten Weltkriegs Teil der Preußischen Armee war, sondern auch an die zahlreichen Gefallenen. Bereits seit 1921 wurde die Begräbnishalle auf dem Historischen Friedhof zur Gedächtnishalle für die 1.341 Weimarer Kriegstoten umgewidmet. Nun kam an prominenter Stelle ein weiteres Denkmal hinzu, das fortan allein durch seine Größe den Platz beherrschte.
Der Entwurf des Weimarer Bildhauers Arno Zauche zeigt ein von einem liegenden Löwen bekröntes Monument aus Kalksteinmauerwerk. Die gesenkte Regimentsfahne liegt zwischen den Pranken des mächtigen Tiers. Die Stirnseite des hohen Postaments ziert ein lateinisches Kreuz. Die Ecken sind von überlebensgroßen Figuren besetzt, die vier Soldaten verschiedener Lebensalter mit gesenkten Köpfen und gefalteten Händen auf abgesetztem Gewehr darstellen. Diese demutsvolle Haltung und die christliche Symbolik setzen der heroischen Geste des Löwen ein Moment der Trauer entgegen. Das Denkmal wurde 1949 als Zeugnis des preußisch-deutschen Militarismus mit weiteren Denkmälern aus dem Stadtbild entfernt. Anstelle des Monuments befindet sich heute das große Blumenrondell.
Max Littmann gestaltet den Erweiterungsbau
Als Max Littmann den neuen Südflügel des Residenzschlosses entwarf, hatte der damals 50jährige Architekt bereits beachtliche Erfolge gefeiert. Nach seiner Ausbildung in Dresden und der Heirat mit der Tochter des Bauunternehmers Jakob Heilmann stieg er in dessen Baufirma ein. Seither spezialisierte er sich auf Theaterbauten sowie auf Kur- und Bäderarchitektur. Bevor Littmann den Weimarer Schlossbau begann, baute er bereits Schloss Wilhelmsthal bei Eisenach mit modernem Wohnkomfort aus.
Littmanns Architektur zeigt eine Verbindung von traditionellen Formen mit moderner Bautechnik. Auch in Weimar wurde Eisenbeton verwendet und innovative Haustechnik geplant. Die repräsentative Innendekoration wurde auf der Grundlage historischer Stile wie Renaissance und Klassizismus modern ausgestaltet. Funktionale Räume von eher privatem Charakter zeigen sich dagegen oft in zurückhaltender Sachlichkeit, die der Auffassung der deutschen »Reformarchitektur« nach 1900 nahekommt.
Littmann orientiert sich für den Grundriss des Südflügels am Vorbild der »Maison de plaisance«. Das ist ein im Barock entwickeltes Grundrissmodell mit einem zentralen Raum und anschließenden Seitenkabinetten in zwei parallel geführten Raumfolgen. Die Funktionen der Räume entsprechen im Einzelnen aber nicht mehr denen des historischen Vorbilds. Auffällig sind die unterschiedlichen Treppenhäuser: auf der westlichen Seite der Tordurchfahrt führt ein funktional einfaches Treppenhaus über ein Vorzimmer in den Arbeitsbereich des Großherzogs im ersten Obergeschoss. Das Treppenhaus auf der östlichen Seite der Tordurchfahrt ist dagegen wesentlich repräsentativer und verbindet die Räume des alten Baus mit den neuen Wohnräumen. Hinzu kommen eine Dienertreppe sowie drei unterschiedlich zu nutzende Fahrstühle.
Die Arbeits- und Wohnräume des Großherzogs liegen im 1. Obergeschoss, der sogenannten Beletage. Über den westlichen Aufgang in der Tordurchfahrt gelangten Besucher über ein Vorzimmer und ein daran anschließendes Empfangszimmer, das der Großherzog mit Jagdtrophäen ausschmückte, in sein Arbeits- und Bibliothekszimmer. Es liegt in der Mitte des Flügels über der Tordurchfahrt und ist an der Außenfassade durch den Balkon markiert. Auf der Westseite schließen sich ein Ankleidezimmer mit einem kleinen Aufstieg zum darüber liegenden gemeinsamen Schlafzimmer des Herrscherpaars sowie das moderne Badezimmer an. Hier befand sich zur körperlichen Ertüchtigung auch eine Reckstange für regelmäßige Turnübungen. Ein schmaler Korridor führt direkt in die Schlosskapelle, daran reihen sich Räume für die Dienerschaft und den Hofjäger.
Auf der gegenüberliegenden, östlichen Seite liegt das neue Haupttreppenhaus. Von hier wird das große Wohnzimmer über eine Galerie erschlossen. Von diesem Salon aus blickte Wilhelm Ernst in eine Zimmerflucht mit den historischen, schon von den Vorfahren bewohnten Räumen. Der neue Raum wurde zur Erinnerung an die Dynastie mit Porträts und Möbeln aus dem Besitz der Ahnen ausgestattet. Der Architekt wählte hier die Ausstattung italienischer Renaissancepaläste als Vorbild und entsprach damit der würdevollen Bestimmung des Raums. Ein zwischen Salon und Arbeitszimmer gelegenes kleines Kabinettzimmer bot dem Großherzog die Möglichkeit zum Rückzug. Hier führte ein Personenaufzug direkt in das ebenfalls private Schreibzimmer seiner Gattin Feodora im Stockwerk darüber.
Die Räume der Großherzogin im 2. Obergeschoss sind über die neue Haupttreppe auf der östlichen Seite der Tordurchfahrt zu erreichen. Auf der gegenüberliegenden Seite bildet die durchgehende Dienertreppe einen Verkehrsweg zwischen allen Geschossen. Den Wohnräumen ist ein Vorzimmer vorgeschaltet, das Bildnisse der Eltern und Großeltern Wilhelm Ernsts zeigt.
Die Raumfolge von Musikzimmer und Schreibzimmer Feodoras liegt auf der Südseite mit den Fenstern zum Park. Daran schließen sich das Schlafzimmer der Eheleute, das Ankleidezimmer der Großherzogin und das mit Keramik der Firma Villeroy & Boch ausgestattete Badezimmer an. Die moderne Dampfheizung ließ jederzeit heißes Wasser aus den sanitären Installationen strömen. Anstelle der Galerie im 1. Obergeschoss schließt sich auf der Hofseite des 2. Obergeschosses eine Garderobe mit streng auf die Fensterachsen ausgerichteten Schränken an. Die einfache Ausführung in Nadelholz und die Linoleumbeläge des Fußbodens weisen diesen Bereich als »Architektur der Dienstbarkeit« aus. Weitere Räume waren der Dienerschaft vorbehalten, dazu gehört auch das eigene Zimmer der Näherinnen.
Demgegenüber greifen die sehr lichten Wohnzimmer Dekorationsformen des klassischen Weimar auf. Das mit gelbgrüner Seide bespannte Schreibzimmer und das grauviolette Musikzimmer orientieren sich für die Deckenstuckaturen an antikischen Vorbildern, diese sind aber unverkennbar Gestaltungen des frühen 20. Jahrhunderts. Littmann verwandelt auch hier, wie in vielen anderen Räumen des neuen Baus, Motive der Zeit um 1800 geschmackvoll in gefällige Dekore des um 1900 verbreiteten Neoklassizismus oder Neobiedermeiers.
Weimar als Garnisonsort
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Weimar keine Garnisonsstadt. Erst zwischen 1854 und 1859 wurde, nach Entwürfen von Carl Heinrich Ferdinand Streichhan, eine große Kasernenanlage mit Lazarett errichtet. Der Bau hat sich in den monumentalen Formen der Neoromanik und Neorenaissance erhalten und steht in exponierter Lage an der Leibnizallee (ehem. Wilhelmsallee) oberhalb des Parks an der Ilm. Heute dient er der Hochschule für Musik Franz Liszt zu Unterrichtszwecken.
Das 1914 entstandene Foto zeigt die Weimarer Maschinengewehr-Kompagnie im Hof der Kaserne, marschbereit zum Einrücken in den Krieg. Die Kompagnie war Teil des Infanterie-Regiments Großherzog von Sachsen (5. Thüringisches) Nr. 94, das mit jeweils einem Bataillon in den drei Garnisonen Weimar, Eisenach und Jena dauerhaft stationiert war.
Am 29. Juli kam die Nachricht »Krieg, mobil« und »Alles sofort zurück in die Garnisonen!«. Das Regiment war zu dieser Zeit bei seinen alljährlichen Übungen in Ohrdruf gewesen. Unter den Soldaten soll großer Jubel geherrscht haben, als sie die Meldung erreichte und die Militärkapellen sollen vaterländische Lieder gespielt haben. Noch am Vormittag des 1. August erfolgte der Befehl über die »Erklärung des einfachen Kriegszustandes« und am Abend der Mobilmachungsbefehl. Die Mobilmachung des aktiven Regiments war am 7. August beendet, »Marschbereitschaft« wurde gemeldet und die drei Bataillone des Großherzogtums wurden an ihren jeweiligen Stationierungsorten Weimar, Eisenach und Jena vom Großherzogspaar und der Bürgerschaft feierlich verabschiedet.
Die Verabschiedung des Regiments im Weimarer Schlosshof
Es gibt kaum Fotografien, welche die Geschehnisse unmittelbar zu Kriegsbeginn in Weimar zeigen. Zu den wenigen gehören die Aufnahmen des Weimarer Fotografen Louis Held: In mehreren Ansichten nahm er am Mittag des 7. August 1914 die Vereidigung der Rekruten bzw. den Feldgottesdienst für das I. Bataillon des Infanterie-Regiments Nr. 94 vor deren Ausrücken auf. Diese Einschwörung und Verabschiedung der Soldaten fand im Innenhof des Residenzschlosses – also im eigentlichen Machtzentrum des Landes – statt. Man nannte diese Zeremonie auch »die letzte Weihe für die hinausziehenden Krieger«.
Großherzog Wilhelm Ernst, als Landesherr und Regimentschef, Hofprediger Karl Trainer und der kommandierende General von Plüskow hielten die Ansprachen. Neben der großherzoglichen Familie und dem Hof waren zahlreiche Weimarer Bürger anwesend, um die Soldaten zu verabschieden. Die Rede Wilhelm Ernsts war voll historischer Anspielungen auf den Schauplatz der Zeremonie:
»Wir stehen hier auf historischem Boden, der uns an die traurige Zeit erinnert, als am 14. Oktober 1806 unser Heer bei Jena und Auerstedt unter Napoleon zusammenbrach. Auf diesem Schloßhof stand damals der Kaiser Napoleon.«
Und General von Plüskow formulierte: »Unser geliebtes Vaterland ist in Gefahr. Es erwartet Schutz von uns, seiner wehrfähigen Mannschaft. Wir übernehmen ihn freudig – im Vertrauen auf Gott und im Hinblick auf die Taten unserer Väter.«
Mit solchen und vergleichbaren Redenversuchte man überall im Deutschen Reich den Krieg zu rechtfertigen und Soldaten und Zivilbevölkerung zu motivieren.
Kriegsbeginn in Weimar
Im Sommer 1914 überschlugen sich die Ereignisse in ganz Europa: Am 28. Juni wurden der österreichisch-ungarische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand d’Este und seine Frau in Sarajevo von einem Nationalisten erschossen. Nach verstrichenen Ultimaten und einer gescheiterten Vermittlung Englands folgte am 28. Juli die österreichische Kriegserklärung an Serbien. Das Deutsche Reich erklärte daraufhin am 1. August dem proserbischen Russland den Krieg und ließ am 3. August eine Kriegserklärung an Frankreich folgen. Einen Tag später marschierten die ersten deutschen Truppen in Belgien ein, woraufhin die Königreiche England und Belgien dem Deutschen Reich den Krieg erklärten. Mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Russland vom 6. August befanden sich alle großen Staaten Europas im Kriegszustand.
Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach im Krieg
Der Großherzog wurde zu Beginn des Krieges dem Generalkommando des XI. Armeekorps zugeteilt; trotz seines vielfach geäußerten Wunsches erhielt er jedoch kein eigenes Kommando. Er begleitete das Thüringische Infanterie-Regiment Nr. 94 an die Kriegsschauplätze in West und Ost. Während seiner fast einjährigen Abwesenheit hatte Großherzogin Feodora die Regentschaft inne.
In regem Briefkontakt tauschte er sich mit ihr über private, militärische und politische Belange aus. Bereits im Frühjahr 1915 ist nur noch wenig von der Begeisterung der ersten Augusttage zu spüren. So äußert er sich in einem Schreiben vom 9. März 1915 aus Rzeczyca (Westpommern) zu einem geplanten Angriff: »Wir halten es für einen Blödsinn, denn es wird furchtbar viel Blut kosten zu den Strömen die schon geflossen sind«. Offen berichtet er seiner Frau auch vom Grauen des Krieges:
»Ich kam über Flächen des ersten Gefechtstages. Da lagen am Vorwerk Jezierzec noch massenhaft tote Deutsche in denselben Lagen, wie sie gestorben waren […] aber noch nicht begraben, es fehlt an Arbeitskräften«.
Ging es um das Wohlergehen der Soldaten, zeigte sich Wilhelm Ernst besorgt, beispielsweise unterstützte er die Versorgung Verwundeter und ließ dem Thüringer Regiment Alkohol und Zigaretten zukommen. In anderen Momenten schien der Großherzog allerdings realitätsfremd, so beklagte er sich bei seiner Frau: »Allerherzlichsten Dank für Deine Sendung, habe mich sehr darüber gefreut. Nur die Ananas sind etwas sehr süß«. Im Sommer 1916 kehrte Wilhelm Ernst nach Weimar zurück, wenngleich er das Regiment bis zum Kriegsende immer wieder kurz besuchte.
»KRIEGS-VATERUNSER« von 1915
Der Krieg trieb zum Teil seltsame Blüten: 1915 verlegte man in Leipzig diese Handreichung, die in sämtlichen Bundesstaaten des Deutschen Reichs verbreitet war. Vom Verkaufspreis von 15 Pfennig, gingen 3 Pfennig zur Unterstützung an das Rote Kreuz.
»Deutsches Vaterunser« ist der neunstrophige Text überschrieben. Er wandelt das von katholischen und evangelischen Christen gleichermaßen gebetete »Vaterunser« in ein aktuelles Kriegs-Gebet um. Nicht überraschend sind die darin enthaltenen Durchhalteparolen und die moralische Stärkung, die sich an Soldaten und Heimatfront richtet. Im Kontrast dazu stehen jedoch die enthaltenen Bitten um Frieden und Vergebung – auch dem Feind gegenüber.
Das auf einer Stele im Schlosshof abgebildete Objekt kann auch exemplarisch für das Schicksal eines Kriegsteilnehmers stehen: Es stammt aus dem Nachlass des Sergeanten Otto Hermann Böttcher (12. Königlich Sächsisches Infanterie-Regiment Nr. 177), der am 10. April 1918 an der Westfront fiel. Böttcher war 31 Jahre alt geworden und von Beruf Bäckermeister. Sein Name findet sich auch auf dem Kriegerdenkmal in Walpernheim (Thüringen). Vermutlich stammte er von dort und heiratete nach Leipzig. Seine Tochter Elfriede erlebte ihren Vater nicht mehr, sie wurde erst kurz nach seinem Kriegstod geboren; seine beiden Söhne Artur und Helmut fielen im Zweiten Weltkrieg.
Die Weimarer Truppen ziehen in den Krieg
Zu den wenigen Bilddokumenten, die die Ereignisse zu Kriegsbeginn in Weimar festhalten, gehören zwei gezeichnete und druckgraphisch vervielfältigte Kriegspostkarten von 1914 (Verlag Rudolf Borkmann, Weimar), die das Ausrücken des 94er Regiments ins Feld am 8. August 1914 zeigen. Dargestellt sind zum einen der Marsch des Bataillons über den Kettenberg, kurz vor dem Neuen Museum und der Vorbeimarsch der Maschinengewehr-Kompagnie am Kasseturm. Dem Bildtypus entsprechend, werden die in den Krieg ziehenden Truppen hier von der jubelnden Bevölkerung am Straßenrand verabschiedet. Die zeitgenössische Lokalpresse berichtet hingegen von vergleichsweise verhaltenen Äußerungen seitens der Weimarer.
Vom Weimarer Bahnhof wurden die Truppen per Bahn an die belgische Grenze transportiert – Soldaten berichteten: »Die Bahnfahrt glich einem Triumphzug.« Die allgemeine Überzeugung, die auch von der nationalen Propaganda geschürt wurde, war, »man werde Weihnachten schon wieder siegreich zu Hause sein«. Nach Einsätzen in Ostpreußen, Galizien und Russland führten insbesondere die Schlachten in Nordfrankreich und der Stellungskrieg in Flandern zu schrecklich hohen Verlusten: Bis zum Kriegsende fielen an Ost- und Westfront 44.000 Thüringer. Zu Fuß marschierten die Reste des 94er Regiments von Brüssel nach Weimar, wo sie nach vier Wochen am 18. Dezember 1918 ankamen.
Nach Ende der Monarchie
Am Abend des 9. November 1918 unterzeichnete Großherzog Wilhelm Ernst im Weimarer Residenzschloss seine Abdankungsurkunde, zuvor war Kaiser Wilhelm II. ins holländische Exil gegangen. Um der Konfrontation mit revolutionären Kräften aus dem Weg zu gehen, verließ die Familie die Residenzstadt und hielt sich auf Schloss Allstedt auf, das 60 km nördlich von Weimar liegt.
Der zukünftige Wohnort aber war Schloss Heinrichau (Henryków) in Schlesien, südlich von Breslau. Die schlesischen Territorien waren als Teil der Erbschaft der Großmutter von Wilhelm Ernst, die dem niederländischen Königshaus entstammte, in den Besitz des Weimarer Fürstenhauses gelangt. Nach dem frühen Tod ihres Gatten 1923 betrieb Feodora die Bewirtschaftung der weitläufigen Güter tatkräftig weiter. Schloss Wilhelmsthal bei Eisenach, das nach der Fürstenabfindung Anfang der 1920er Jahre im Besitz des ehemaligen Großherzogshauses verblieb, war schon immer der Lieblingssitz der Familie in Thüringen gewesen und blieb es auch bis zum Zweiten Weltkrieg. Das Wohnrecht im Weimarer Residenzschloss, das sich vornehmlich auf die Räume im neuen Südflügel bezog, wurde dagegen selten genutzt. Das Schloss in Heinrichau, in das ein Teil der Schlossausstattungen aus Weimar verlagert worden war, musste mitsamt der Ausstattung beim Einmarsch der Sowjetischen Truppen 1945 aufgegeben werden.
Die Verkündung der Republik und die Machtübernahme durch den Rat der Volksbeauftragten am 9./10. November 1918 hatten die neuen politischen Verhältnisse in Deutschland keineswegs gefestigt. Insbesondere in Berlin kam es wiederholt zu gewaltsamen Ausschreitungen. Deshalb und um den heftigen »Los-von-Berlin«-Bestrebungen der süddeutschen Staaten entgegenzukommen, suchte man im Januar 1919 einen geeigneten dezentralen Tagungsort für Reichsregierung und Nationalversammlung »im Herzen Deutschlands«. Weimar setzte sich nicht zuletzt wegen seiner guten Bahn-Anbindung nach Berlin und des Flughafens am Webicht durch.
Von Februar bis August 1919 wurde Deutschland von Weimar aus regiert: Während die Nationalversammlung im Hoftheater (Deutsches Nationaltheater) tagte, wurde den Mitarbeitern der Reichsregierung das ehemalige Residenzschloss als Arbeitsstätte zugewiesen. 135 Räume des Schlosses wurden zu Büros und Sitzungsräumen umfunktioniert. Hier waren die wichtigsten Ministerien und Regierungsstellen untergebracht und hier fanden die Kabinettssitzungen statt: So hatten beispielsweise die Reichskanzlei und das Auswärtige Amt ihren Sitz im neuen Südflügel, das Ministerium des Innern erhielt die Mecklenburgischen Zimmer im Ostflügel. Persönlichkeiten wie Reichspräsident Friedrich Ebert, Reichsministerpräsident Philipp Scheidemann oder Reichswehrminister Gustav Noske hatten zudem im Nordflügel ihre Wohnräume. Am 31. Juli wurde die neue Verfassung verabschiedet, der man den Namen »Weimarer Verfassung« gab.
Bereits 1923 wurde das Schlossmuseum als neues Zentrum der Staatlichen Kunstsammlungen zu Weimar eingerichtet. Bei dieser Gelegenheit wurde das von zwei liegenden Löwen flankierte Tropaion am Nordflügel versetzt und dort der Eingang des Museums angelegt. Heute steht das aus Rüstung, Schilden und Waffen gebildete Denkmal zu Ehren von Herzog Carl August etwas unvermittelt vor dem Ostflügel, die beiden Löwen sind seither an der Außenseite der Schlossanlage an der Treppe zum Westportal postiert.
Neben den Museumsräumen im gesamten Nordflügel sowie im 1. Obergeschoss des Ost- und des Westflügels konnten bei Abwesenheit der abgedankten großherzoglichen Familie auch deren noch eingerichtete Privaträume im Ost- und Südflügel zu bestimmten Zeiten besichtigt werden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden diese Räume unterschiedlich genutzt, u.a. zur Einrichtung des »Goethezeit-Museums«, das bis zur Wiederöffnung des durch den Luftkrieg beschädigten Goethe-Nationalmuseums bestand. Nach der Gründung der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der deutschen klassischen Literatur im Jahr 1953 – der Vorgängerinstitution der Klassik Stiftung Weimar zu Zeiten der DDR – zog die neue Verwaltung in die ehemaligen Privaträume des Großherzogshauses ein. Noch heute befinden sich das Schlossmuseum und die Verwaltung der Klassik Stiftung in den Räumen des Stadtschlosses. Dieses soll im Rahmen des Gesamtkonzepts »Kosmos Weimar« in den nächsten Jahren umstrukturiert und für den Besucher noch besser erschlossen werden.