Zwischen Tradition und Moderne
Architektin Heike Hanada im Interview über die zentrale Idee ihres Museumsentwurfs und die Frage, was sie dem bauhaus museum weimar für die Zukunft wünscht.
Frau Hanada, sehen Sie sich und Ihre Architektur für den Museumsbau in der Tradition des Bauhauses?
Die Begriffe »Tradition« und »Bauhaus« widersprechen sich meiner Ansicht nach. Das Bauhaus war eine antitraditionelle Bewegung. Es wollte immer die Avantgarde, das Moderne sein. Insofern kann man sich eigentlich nicht in der Tradition des Bauhauses bewegen. Ob wir heute eine vergleichbare avantgardistische Haltung wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts einzunehmen verstehen, mag dahingestellt sein. Persönlich halte ich es für dringlicher, das Scheitern der Moderne zu überwinden und aus diesem Bewusstsein heraus eine zeitgenössische Architektur zu entwickeln, die eine unkonventionelle Haltung zwischen Tradition und Moderne einnimmt.
Was ist die zentrale Idee Ihres Entwurfs?
Im Grunde genommen sind es zwei Ideen, die sich städtebaulich und innenräumlich ergänzen und sehr stark mit der Topographie des Ortes zusammenhängen. Das Museum ist in den Hang des Weimarhallenparks geschoben und markiert so den Bruch, den die Aufschüttung des gesamten Geländes für den Bau des nationalsozialistischen »Gauforums« in unmittelbarer Nachbarschaft verursachte. Das Museum verbindet die Park- und die Stadtebene über Treppenanlagen, sowohl im Innen- als auch im Außenbereich. Die Treppenbewegung zieht sich im Inneren durch das gesamte Gebäude, in dem die doppelgeschossigen Lufträume jeweils mit einer Kaskadentreppe verbunden sind. Der Rundgang mündet in einer Himmelsleiter, die vom 3. Obergeschoss zurück ins Erdgeschoss führt. Mir geht es um überraschende Blickbeziehungen, die die Besucher durch das Haus leiten, vergleichbar den diagonalen Blickachsen im nahegelegenen Park an der Ilm.
Wie wird das Gebäude wirken, wenn es fertiggestellt ist?
Das Museum wird sich als Solitär, also als alleinstehendes Gebäude, stark von den sich dort befindlichen Bauten absetzen. Dieser Solitär soll leuchten. Das geschieht durch über 30 einzeln ansteuerbare horizontale Lichtlinien, die um das Gebäude gewickelt sind und die eine Art Lichtspiel ermöglichen.
Das Hauptmaterial ist ein hellgrauer Beton, der sandgestrahlt wird, so dass er eine sehr schöne Oberflächenstruktur bekommt. Dadurch, dass der Beton einen Sockel und eine Attika beschreibt und der mittlere, also größte Teil, von Leuchtbändern durchzogen ist, entsteht ein sehr schöner Kontrast zwischen dem tektonischen Element des Sockels und dem des Kubus, der repräsentativ für die Moderne steht.
Wie können wir uns den Museumsbesuch vorstellen?
Das Museum ist von der Hauptachse der Stadt aus weithin sichtbar und dominiert die ganze Situation. Zudem besitzt es einen überhöhten Eingang, sodass der Besucher ganz automatisch auf das Portal hingeführt wird. Durch die gläserne Front des Portals kann man von außen erkennen, wenn das Gebäude belebt ist.
Von der Parkseite her betrachtet steht das Museum leicht verschattet hinter Bäumen und bettet sich in die romantische Parklandschaft ein. Die kleine Terrasse davor ist etwas erhöht, von der Parkebene aus gut erreichbar und dient dazu, dass man dort im Sommer seinen Kaffee trinken, lesen oder Workshops veranstalten kann. Sie bietet einen Eingang für Rollstuhlfahrer oder Familien mit Kinderwagen, die dann über einen Aufzug ins Gebäude gelangen.
Über ein Drittel der Flächen sind ohne Eintrittskarte zugänglich. Neben Café und Lounge gehören dazu die sehr großzügige Fläche für die »Topografie der Moderne« sowie ein Orientierungsbereich mit Werkstatt und Vortragsraum. All diese Bereiche funktionieren auch ohne dass das Museum in Betrieb ist und laden alle Weimarer Bürger ein, dort aktiv zu werden und selbst an Workshops und Veranstaltungen teilzunehmen.
Was wünschen Sie dem bauhaus museum für die Zukunft?
Dass es nicht so sehr ein Museum im klassischen Sinne sein wird, sondern vielmehr eine Werkstatt, in der sich die Gäste, die Bevölkerung und die Hochschulen Weimars wiederfinden und mit dem Haus arbeiten. Deshalb ist die Ausgestaltung weniger repräsentativ im Sinne einer klassischen Kunsthalle, sondern soll einen Werkstattcharakter vermitteln. Das lässt sich beispielsweise an den eher rauen Betondecken ablesen, die an alte Industriehallen erinnern. Das Museum soll nicht nur ein Ort der Reflexion, sondern auch des Selbst-Tätig-Werdens sein.