400 Jahre »Fruchtbringende
Gesellschaft«
Am 24. August 1617 wurde in Weimar auf Initiative der Fürsten Ludwig I. von Anhalt-Köthen und Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar die »Fruchtbringende Gesellschaft« gegründet. Sie ist die erste deutsche Sprachakademie, die sich nach dem Vorbild der ältesten italienischen Sprachgesellschaft, der Accademia della Crusca, die Pflege der deutschen Sprache und Literatur auf ihre Fahnen schrieb und bestand bis 1680.
Dabei war sie keineswegs vorrangig eine Vereinigung von Gelehrten und Literaten, sondern zielte auf weitreichende gesellschaftlich-politische Entwicklungen. Drei Viertel der 890 Mitglieder gehörten dem protestantischen Adel und dem Reichsfürstenstand an, doch stand sie Anhängern anderer Konfessionen offen. Die zum Programm erhobene Spracharbeit im Sinne der Erforschung, Förderung und Normierung einer deutschen Hochsprache, ihre Etablierung als Sprache der Gelehrten und Dichter, aber auch jedes Einzelnen, sollte dem christlichen Ideal der Eintracht dienen und der Muttersprache zu einer gleichberechtigten Stellung gegenüber anderen europäischen Sprachen verhelfen.
Ihre Mitglieder setzten auf Prinzipien der Ehrbarkeit und Achtung im gemeinschaftlichen, persönlichen und literarischen Austausch. Jedem von ihnen waren ein den gesellschaftlichen Stand verbergender Name, eine Pflanze als persönliches Sinnbild, ein Motto und ein Sinnspruch zugeordnet, welche in Mitgliederverzeichnissen (Gesellschaftsbücher) veröffentlicht wurden. Gemeinsames Symbol der auch Palmorden genannten Gesellschaft war die an Früchten reiche und in ihren Bestandteilen nutzbare Kokospalme. Von diesen Eigenschaften leitet sich das Motto der Fruchtbringenden Gesellschaft ab: Alles zu Nutzen.
So entstanden im Umkreis der Gesellschaft im 17. Jahrhundert bedeutende Arbeiten zur Sprach- und Literaturtheorie, Grammatik, Lexikographie, geschichtliche Abhandlungen sowie eine Vielzahl künstlerischer Texte, darunter Dramen, Prosawerke, Übersetzungen und einige der schönsten Gedicht- und Liedersammlungen des Barock. Inmitten eines Zeitalters verheerender Kriege erlebte die deutsche Literatur eine große Blüte, sie gewann stark an Einfluss und Popularität. Die Fruchtbringende Gesellschaft schuf wichtige Grundlagen für die Herausbildung einer deutschen Literatursprache und Nationalliteratur im 18. Jahrhundert.
Eine kleine Ausstellung im Studienzentrum der Herzogin Anna Amalia Bibliothek widmet sich aus unterschiedlichen Perspektiven der Gesellschaft und ihrem Jubiläum. Die Vitrine im Eingangsbereich zeigt drei antiquarisch wiederbeschaffte Ausgaben für Verluste des Bibliotheksbrandes im September 2004. Damals zerstörten die Flammen etwa 20 Prozent des Bestandes zur Fruchtbringenden Gesellschaft, er umfasst heute zirka 1700 Ausgaben.
Die separate Ausstellung im Kubus wird bis Ende Oktober zu sehen sein. Präsentiert wird dort für die Epoche, da die Gesellschaft ihren Sitz in Weimar (1651-1662) hatte, aus dem Fundus der Bibliothek Der Neu=sprossende Teutsche Palmbaum, erschienen 1668. Verfasser ist der Kirchenlieddichter Georg Neumark, Bibliothekar am Sächsisch-Weimarischen Hof, der unter seinem Gesellschaftsnamen Thyrsis, der Sprossende als Sekretär der Gesellschaft in Weimar wirkte. Dem Leser bietet Neumark mit diesem, auch die Mitglieder erfassenden Standardwerk, einen weitgespannten Einblick in Anliegen und Aktivitäten dieser Gemeinschaft.
Aus den Graphischen Sammlungen des Goethe-Nationalmuseums wird ein Gedächtnisblatt von 1666 auf den Tod des Herzogs Wilhelm IV. gezeigt, der unter seinem Gesellschaftsnamen der Schmackhafte von 1651 bis zu seinem Ableben das zweite Oberhaupt der Gesellschaft mit Sitz in Weimar war.
Unter dem Titel Palmbaum gibt die Thüringische Literarhistorische Gesellschaft Palmbaum e.V. gemeinsam mit dem Thüringer Literaturrat zweimal im Jahr ein Literarisches Journal für Thüringen heraus. In der Tradition der »Fruchtbringenden Gesellschaft« stehend, dient der Verein der streitbaren Erschließung des literarischen Erbes sowie der Förderung gegenwärtiger Literatur und Sprache in Thüringen. Anhand zweier Ausgaben wird die Zusammenarbeit mit Künstlern demonstriert, die seit 2005 die Einbände gestalten. Das aktuelle Heft 65 beschäftigt sich mit dem Jubiläum der Fruchtbringenden Gesellschaft.