5 Fragen zum Bauhaus
an Wolfgang Tiefensee
Im Interview erklärt der Bauhaus-Botschafter, weshalb er gern am Bauhaus studiert hätte und warum die Wiege von Peter Keler die Bewegung am treffendsten versinnbildlicht.
Herr Tiefensee, früher galten die Bauhäusler als verschrobene Exzentriker. Kindern wurde gedroht: »Wenn du nicht artig bist, kommst du ins Bauhaus!« Hätte es Sie als junger Mensch gereizt, dort zu studieren?
Ein ganze klares »Ja«! Das Bauhaus als soziale Bewegung hatte den Anspruch, gleiche Lebensverhältnisse für alle zu schaffen. Sie war in gewisser Weise sozialdemokratisch. Und sie verkörperte ein alternatives Milieu, das aber aus der Herzoglichen Kunsthandwerksschule entstanden ist – sie war also neu und alt zugleich. Gerade die Konflikte zwischen Generationen, Ansichten oder innerhalb der Bevölkerung sind die Quellen, aus denen neue Ideen hervorgehen.
Ohne Konflikt und Reibung folgt Stillstand. Nur wo Reibung ist, entsteht Hitze. Die Bauhaus-Bewegung hat so viele Impulse gesetzt, angefangen von Design, Architektur über Kunst bis hin zur Lehre und dem Studienbetrieb.
Welches Objekt versinnbildlicht Ihres Erachtens das Bauhaus am treffendsten?
Die Bauhaus-Wiege von Peter Keler inspiriert von Wassily Kandinsky als deutlich erkennbare Mischung aus traditioneller Handwerkskunst und moderner Gestaltung – Form folgt Funktion. Die Form wiederum hat eine zweite Deutungsebene, die weit über ihre eigentliche Aufgabe hinausgeht.
Nicht ohne Grund symbolisiert sie heute die gesamte Bauhauskunst, die sich einerseits durch die drei Grundformen und Farben und andererseits durch Funktionalität auszeichnet.
Als Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft haben Sie sich bereiterklärt, Botschafter für das
Bauhaus-Jahr in Thüringen zu sein. Welche Wünsche verbinden Sie mit dieser Aufgabe?
Dass Thüringen als Ursprungsort, die Wiege der Bewegung bekannter wird und viele Besucherinnen und Besucher nach Weimar kommen. An diesem Schicksalsort deutscher Geschichte lässt sich nachvollziehen, warum das Bauhaus nur dort entstehen konnte – ja musste. Verschiedenste Ereignisse der deutschen Geschichte kulminierten in Weimar und gaben letztendlich auch den Anstoß für die Bewegung.
Welchen Bauhaus-Ort möchten Sie noch unbedingt besuchen?
Ich habe bereits einige Orte gesehen, davon viele in Thüringen wie etwa das Haus Auerbach in Jena, in dem wir Anfang des Jahres den Film für unsere Standortkampagne drehen durften. Aber auch die Feiningerkirche, das Haus Am Horn in Weimar, Haus Zuckerkandl und die Mensa im Philosophenweg Jena, das Margaretha-Reichardt-Haus Erfurt, die Bauhaus-Wohnanlage Ruhla oder das Haus des Volkes Probstzella.
Es gibt keinen konkreten Ort, den ich sehen möchte, eher finde ich es spannend, immer wieder Objekte und Gebäude zu entdecken, deren Wurzeln bei den historischen Bauhäuslern lagen.
Wie wir leben wollen, spielte für die Bauhäusler eine große Rolle. Wie würde das Bauhaus diese Frage heute für eine digitale Gesellschaft beantworten?
Die Bauhäusler waren modern, haben aber gleichzeitig immer wieder das Thema der Rückbesinnung auf zwischenmenschliche Werte und die Natur verhandelt. Wahrscheinlich würden sie für ein freies und allen zugängliches Internet plädieren, dass uns hilft, einander zu verstehen, gemeinsam Werte zu schaffen und kreativ zu sein. Und sie würden nach Lösungen suchen, wie Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten und verschiedener Kulturen nicht separiert und anonym, sondern in einem Haus ganz menschlich zusammenleben können.
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