Cranach im Streiflicht
Kaum jemand kommt den Kunstwerken eines Museums so nah wie die Restauratoren, doch nur wenige haben eine genaue Vorstellung von ihrer Arbeit. In Folge 2 unserer Depotreihe schauen wir Gemälderestauratorin Anne Levin bei Untersuchungen am Cranach-Gemälde »Schmerzensmann« über die Schulter.
Sie betrachtet den Schmerzensmann im Auflicht und Streiflicht, bei UV-Fluoreszenzanregung und unter dem Mikroskop. Gleichzeitig werden Infrarot- und Röntgenaufnahmen verglichen und ausgewertet. Pigmentanalysen ergänzen die Ergebnisse.
Bitte einmal die Schutzbrille aufsetzen!
Im Auf- und Streiflicht kann Anne Levin erste Details der Bildoberfläche erfassen. Die Gemälde der Cranach-Werkstatt sind oft auf Holztafeln ausgeführt, die präzise zusammengeleimt wurden – so auch der Schmerzensmann. Ein Blick auf die Streiflichtaufnahmen ermöglicht erste Aussagen bspw. darüber, welches Werkzeug für die Bearbeitung der Holztafeln verwendet oder wie die Malunterlage verleimt wurde. Im besten Falle lassen sich hier bereits bestimmte Werkstattroutinen ablesen.
Anne Levin rät uns, unbedingt die Schutzbrille aufzuziehen. Klar, UV-Strahlung schadet dem Augenlicht, hat aber die positive Eigenschaft, gealterten Naturharzfirnis zu Fluoreszenz anzuregen, die für uns gelbgrün sichtbar wird.
Für die Alten Meister ist eine mehrschichtige Farbgestaltung typisch. Der Grundierung, die für das menschliche Auge nicht sichtbar ist, folgen in der Regel eine Vorzeichnung und schließlich die Ausmalung mit Untermalung, Hauptfarbe und Lasur.
Jüngere Retuschen, die auf dem gealterten Firnis liegen, kann man unter UV-Licht oft gut erkennen, da sie andersfarbig, meist dunkler, erscheinen.
Auf unserem Gemälde lassen sich drei Übermalungen unterschiedlichen Alters ablesen. Was sich unter der ältesten Firnisschicht verbirgt, zeigen die UV-Aufnahmen allerdings noch nicht.
Details liefert ein Blick durch das Mikroskop: Wie viele Farbschichten liegen tatsächlich übereinander und mit welcher Wirkung? Was davon ist authentisch? Am oberen Bildrand machen die Aufnahmen eine jüngere Übermalung sichtbar, Pigmentkörner einer älteren Farbschicht aber auch maltechnische Details, wie die Grundierung der Augen oder kunstvoll ausgeführte Tränenlinien und Augenfenster.
Tiefgang – Infrarot- und Röntgenaufnahmen
Kollegen der Hochschule für Bildende Künste Dresden und der Fachhochschule Köln unterstützen Anne Levin mit der Anfertigung von Infrarot- und Röntgenaufnahmen. Infrarotstrahlung ist eine langwellige Strahlung, die die oberen Malschichten durchdringen kann und so einen Blick darunter ermöglicht. Fehlstellen, Unterzeichnungen oder spätere Übermalungen werden sichtbar.
Damit ist die sogenannte Infrarotreflektografie ein vielversprechendes Werkzeug bei der Unterscheidung verschiedener Zeichenstile.
Die Pigmentanalyse hingegen zeigt, welche mineralischen Elemente, wie Blei, Kupfer, Eisen oder Quecksilber, im Bild vorhanden sind, also welche Farben verwendet wurden und wie alt diese möglicherweise sind.
Für die Zuschreibung von Kunstwerken liefert auch diese Methode wichtige Anhaltspunkte.
Nach Abschluss ihrer Untersuchungen steht Anne Levin gemeinsam mit den Fachkollegen und Kunsthistorikern der Stiftung vor der Aufgabe, viele Puzzleteile zu einem Ganzen zusammenzufügen. Der »Schmerzensmann« macht sich derweil auf ins Schiller-Museum. Vom 3. April bis 14. Juni 2015 kann er dort in der Ausstellung »Cranach in Weimar« besichtigt werden.