Vom Stubengarten der Maria Pawlowna
Es ist Freitag, der 30. Januar 2015, und ich bin 10 Uhr mit Andreas Petzold, dem Revierleiter der Orangerie Gärtnerei am Schloss Belvedere, verabredet. Heute wird ein Stubengarten, Maria Pawlownas »Jardin portatif«, angelegt. Mit dem Fahrrad vorbei an Maria Pawlownas Russischem Garten, über den Schlossvorplatz, links vorbei an der Orangerie und ein letztes Mal rechts: Herr Petzold erwartet mich bereits.
Der großherzogliche Blumentisch kam vermutlich 1820 in den Besitz Maria Pawlownas. Sie war eine ausgesprochene Blumenliebhaberin. Am 16. Februar würde Maria Pawlowna 229 Jahre alt werden. In alter Tradition soll der Blumentisch auch in diesem Jahr den Spiegelsaal im Weimarer Stadtschloss mit Blumenduft und Frühlingszauber erfüllen.
Die Tradition des »Jardin portatif« kam von England nach Deutschland. Im »Journal des Luxus und der Moden« des Weimarer Verlegers Friedrich Justin Bertuch wurde bereits 1792 ein »Jardin portatif« vorgestellt.
Die blühenden Tischarrangements in den Wohnräumen glichen Miniaturgärten, die in den Wintermonaten für duftende und blühende Pflanzen auch außerhalb der Gewächshäuser sorgten.
Aus dieser Manier entstand in ganz Europa am Ende des 18. Jahrhunderts die Stubengärtnerei.
Herr Petzold führt mich durch einige Gänge und Treppen in sein Büro, wo der historische Tisch aus Mahagoniholz aufbewahrt wird, bis die fertige Pflanzschale eingesetzt wird. »Man kann deutlich Spuren von nachträglichen Reparaturen im Inneren des Tisches sehen. Der Zustand muss unbedingt erhalten werden. Deswegen geht der Tisch in diesem Jahr auch nicht mit in die Gärtnerei. Da ist es viel zu gefährlich.«, so Herr Petzold.
In den vergangenen Jahren wurde der Tisch in der Gärtnerei aufgestellt und direkt bepflanzt. In diesem Jahr wird eine neue Vorgehensweise getestet. Der wertvolle Holztisch verbleibt im Büro von Petzold, während die eingelegte Schale einzeln in der Gärtnerei befüllt wird. Die Schale bringt Herr Petzold höchstpersönlich in das Gewächshaus, in dem uns tropisches Klima erwartet.
Mit der Pflanzschale unter dem Arm machen wir uns auf in Richtung Gärtnerei. Dabei nehmen wir den Weg durch das Pflanzenhaus der Orangerie. Im Vorraum des Gewächshauses treffen wir Daniela Wagner, die sich als Gärtnerin seit mehr als 6 Jahren um den Blumentisch kümmert, und Meike Hasse, die seit 2013 eine Ausbildung zur Gärtnerin der Fachrichtung Zierpflanzenbau absolviert.
Frau Wagner platziert die Pflanzschale auf dem Mitteltisch im historischen Gewächshaus. Frau Hasse befüllt Eimer mit lockerer, faseriger Erde. »Wir verwenden dieses Topfsubstrat, weil es besonders leicht ist.«, so Frau Hasse. »Komposterde ist zu schwer. Dieses Substrat enthält sehr wenig Nährstoffe, was für den Zweck des Stubengartens völlig ausreichend ist. Der Tisch soll 14 Tage blühen, dann wird alles wieder abgeräumt.«, erklärt Frau Wagner.
Damit der Tisch unbeschadet von der Gärtnerei im Schloss Belvedere in das Stadtschloss transportiert werden kann, ist das Gewicht so gering wie möglich zu halten. Die fertige Schale bringt am Ende weit mehr als 20 Kilo auf die Waage.
Frau Wagner befüllt die wasserdichte Metallwanne mit dem Substrat. Sie streicht und krümelt behutsam mit ihren Händen bis sich eine leichte Wölbung abzeichnet.
Die vorgetriebenen Blumenzwiebeln wurden im Großhandel in Erfurt eingekauft. Die Auswahl orientiert sich an der alten Tradition. Früher setze man ab Dezember die in Treibhäusern vorgezogenen »schön duftenden Hyacinthen, Jonquillen, Tulpen, Tazetten, Narzissen« in die Schalen der Blumentische, »zwischen denen die persischen und chinesischen Syringen, verschiedene Irisarten, die prächtige Amaryllis und mannichfaltige liebliche Rosen hervorblicken (…)«.
»In der Mitte braucht man einen Pulk.«, erklärt Frau Wagner und sucht nach mindestens fünf gleichhohen Rittersternen. Sie gehören zur Gattung Hippeastrum. Jetzt wird mir auch klar, warum eben ständig von »Hippies« die Rede war. Dieses Jahr sind alle »Hippies« unterschiedlich hoch, was zu einem Problem führen könnte. Heute entsteht also die erste »Version«. Wenn eine Pflanze mehr »schiebt« als die andere, wird noch einmal umgepflanzt, damit am Geburtstag von Maria Pawlowna ein perfekter Tisch präsentiert werden kann. Als nächstes werden die Narzissen eingesetzt.
Zwiebel an Zwiebel setzt Frau Wagner blaue Hyazinthen, Märzenbecher, rote Tulpen, Primeln und rote Tausendschönchen ein. Lücken werden kurz vor dem Transport mit Schneeglöckchen aufgefüllt. Zum Abschluss wird die Oberfläche zwischen den Blumenzwiebeln noch mit grünem Moos bedeckt, um den Eindruck eines kleinen Gartens zu erwecken.
Noch bis zum 22. Februar schmückt der Blumentisch den Spiegelsaal im Weimarer Schlossmuseum. Seine volle Blütenpracht wird er hoffentlich pünktlich am 16. Februar zum Geburtstag Maria Pawlownas entfalten.
Liebes Team vom KSW-Blog! Ein wunderbarer Artikel, die Bilder und Beschreibungen vom Stubengarten erwecken schon Frühlingsgefühle in mir und ich bekomme Lust, mir die Orangerie bald selbst anzusehen. Danke dafür! (Ich glaube, mir ist schon wieder ein kleiner Schreibfehler aufgefallen: »Moos« schreibt man mit zwei oo und nicht zwei ss). Herzlich, euer Hans.
Hallo! Wirklich schöne Fotos! Ich liebe es auch im Garten zu sein, ein bisschen zu buddeln, oder einfach nur die Blütenpracht zu genießen! Ich war die Tage bei dem Schönen Wetter auch hier in Meran auf Schloss Trauttmansdorff ( http://www.trauttmansdorff.it ) richtig schön war das! Danke für diesen Beitrag, LG, Lena