Goethe, Schiller und die Weimarer Klassik
Goethes Sammlungsmöbel
Diana Stört und Katharina Popov-Sellinat haben untersucht, welche Rückschlüsse sich aus Goethes Sammlungsmöbeln ziehen lassen.
Frau Stört, Frau Popov-Sellinat, das von Ihnen bearbeitete Teilprojekt trägt den Titel „Epistemische Möbel. Wahrnehmungs- und Erkenntniseinrichtungen in Goethes Sammlungen“. Inwiefern vermitteln Möbel Wissen?
Katharina Popov-Sellinat: Wenn Sammlungen in Möbeln aufbewahrt werden, dann geschieht das immer auf eine bestimmte Art und Weise. Bereits am Äußeren des Möbels ist zu erkennen, wie eine Sammlung betrachtet und erfasst werden soll, wie sie geordnet ist. Es macht einen Unterschied, ob ich eine Tür aufmache, eine Schublade aufziehe oder darauf angewiesen bin, die Objekte zu entnehmen und abzulegen, bevor ich sie betrachten kann. Unsere Fragen waren daher beispielsweise: Wie lenken die Sammlungsmöbel unseren Blick? Welche Ordnungsprinzipien kann man anhand der Möbel ablesen?
Ist bekannt, ob sich Goethe Gedanken über die Aufbewahrung seiner Sammlungen gemacht hat? Oder hatte er einfach zu viele Objekte, um alle in Vitrinen zu zeigen?
Diana Stört: Goethe hat genau definiert, wie seine Sammlungsmöbel aussehen sollten. Da auch Rechnungen zu Sammlungsmöbeln von Handwerkern überliefert sind, die Goethe persönlich beauftragt hat, wissen wir, dass ein Konzept dahintersteckte.
Popov-Sellinat: Goethe war natürlich auch Kind seiner Zeit. Er nutzte, was als Grundformen schon vorhanden war. Aber daraus hat er für sich etwas Spezielles gestalten lassen.
Könnten Sie ein Beispiel nennen, wie Goethe bestimmte Objekte aufbewahrte?
Stört: Mineralien sind ein ganz typisches Beispiel. Zu Goethes Zeiten gab es eine Diskussion unter Sammlern, ob Mineralien besser in Vitrinen oder in Schubfachmöbeln gezeigt werden sollten. Mineralien wurden oft in Reihen gelegt, um sie vergleichen zu können. Verglaste Möbel boten natürlich den Vorteil, dass alles auf einen Blick zu sehen war. Goethe hat sich bewusst dagegen entschieden. Er präsentierte zwar besondere Stücke in Vitrinen, aber hauptsächlich nutzte er Schubladenmöbel. Zum Zweck der Anschauung wurden die Schubfächer herausgezogen und nebeneinandergelegt. Ihm war es wichtig, dass die Gegenstände tastbar, neu kombinierbar und gut handhabbar sind. Und, dass der Betrachter nur im Blick hat, was er genau in diesem Moment untersuchen möchte.
Wie unterscheidet sich die Präsentation der Majoliken, also der bemalten Keramik, davon?
Popov-Sellinat: Hier griff Goethe bewusst auf Vitrinen zurück. In den verglasten Teilen der Schränke finden sich Einlagebretter, an deren Unterseiten Rillen eingearbeitet sind. Sie weisen darauf hin, dass Objekte hintereinander präsentiert wurden. Durch diese Erkenntnis konnten wir uns Goethes Idee annähern.
Stört: Im Gegensatz zu den Mineralien, die konzentriert einzeln betrachtet werden sollten, wurden die Majoliken in ihrer Vielzahl, versetzt in drei Reihen, gezeigt. Goethe kam es auf den Gesamteindruck an, auf das Spiel der Farben. Er äußerte, dass diese schönen Objekte eher in der Masse beurteilt werden können.
Popov-Sellinat: Die Schränke waren übrigens nicht so zurückhaltend gefasst wie heute. Sie waren in einem rötlichen Farbton gestaltet, das konnten wir anhand von Lackresten rekonstruieren. Das, was wir heute in Goethes Wohnhaus sehen, ist oft eine Interpretation – eine Überformung. Dass Goethes Majolika-Schränke sich durch starke Farbtöne auszeichneten, auch im Inneren, ist eine ganz wichtige Erkenntnis des Projektes.
Wir können wir uns den von Goethe ursprünglich intendierten Raumeindruck vorstellen?
Stört: Bei Goethe muss man sich den Raumeindruck edler und intensiver vorstellen. Die Möbel waren rot glänzend, außerdem war eine Masse von Objekten in den Schränken untergebracht. Durch die Farbigkeit der Majoliken, die immer in drei bis vier Grundfarben gestaltet sind – gelb, grün, blau und manchmal etwas violett – entstand ein opulenter, farbiger Raumeindruck, der ganz anders ist als heute.