Grabungen vor dem Stadtschloss
Zwei Monate dauerten die Grabungen vor dem Weimarer Stadtschloss. Ein Team aus einer Archäologin, drei Grabungsarbeitern sowie zwei Praktikanten versuchte, Fragen zur Entstehungsgeschichte des Schlosses zu klären. Im Interview spricht die Grabungsleiterin Dr. Pia Heberer über die Geschichte des Stadtschlosses und gibt Einblicke in den Beruf der Archäologin.
Was konnten Sie durch die Grabungen in Erfahrung bringen?
Wir haben drei Mauern und natürlich auch Erdschichten gefunden und freigelegt. Die zwei schmalen Mauern sind in den historischen Ansichten des 17. und 18. Jahrhunderts abgebildet und waren daher auch bekannt.
Überrascht hat uns die dritte: Sie stammt wohl schon aus dem 13. Jahrhundert und gehört zur mittelalterlichen Burg, dem sogenannten Hornstein. Es ist die alte Umfassungsmauer der Burg.
Außerdem können wir die bisherigen Forschungen der Gartenabteilung bestätigen, dass sich im Süden auf dem Vorplatz der Küchengarten befunden hat; hier wurden beispielsweise Beete angelegt und ich denke, wir haben auch Blumentöpfe gefunden.
Wie sind Sie vorgegangen?
Zunächst fanden geophysikalische Untersuchungen statt, die die archäologische Denkmalpflege durchgeführt hat. Hier konnte man bereits erkennen, dass Mauern im Boden verborgen liegen.
Anschließend konnten wir mit Bohrkernsondierungen herausfinden, wo wir beispielsweise auf Fels stoßen werden, der sich mehrere Meter unter der Erdoberfläche befindet. Die Bohrungen können aber nur einen ersten Eindruck geben.
Auch historische Ansichten und Grundrisse haben uns gezeigt, was uns erwartet. Aber es gibt eben auch immer wieder Neues und Unbekanntes zu entdecken.
Am Anfang haben Sie hier mit einem Schaufelbagger gearbeitet. Läuft man dabei nicht Gefahr, die Funde zu beschädigen?
Wir haben versucht, mit dem Bagger die Schichten abzutragen, die nach 1900 dazugekommen sind. Durch die Bohrungen im Vorfeld wussten wir, dass es hier verschiedene Aufschüttungen gibt, die zum Teil aus der Nachkriegszeit stammen. Die Grabungsarbeiter haben mit der Schaufel hinter dem Bagger her gearbeitet, um zu schauen, ob es sich schon um archäologisch relevante Schichten handelt.
Als Archäologe will man die Dinge in der Reihenfolge ihrer Entstehung verstehen. Als älteste archäologische Schicht über dem anstehenden Kies haben wir hier eine Erdschicht mit Keramik, die sehr wahrscheinlich aus dem 10. bis 12. Jahrhundert stammt.
Diese Erdschicht wird von einer Kalkschicht abgedeckt, die vermutlich zu einer ersten Bauphase in Stein gehört. Von dieser ist, zumindest im ergrabenen Bereich, heute nichts mehr erhalten. Die Ringmauer, die wir heute noch sehen, wurde wohl nicht vor dem 13. Jahrhundert errichtet.
Warum haben Sie ausgerechnet an dieser Stelle gegraben?
Es gibt zahlreiche Quellen über das Schloss, aber aus archäologischer Sicht dennoch viele offene Fragen. Auch Fragen zur Gründung der Mauern, die für die Statik relevant sind, konnten nur hier vor dem Schloss geklärt werden. Es ist nicht unwichtig, zu wissen, ob Teile des Schlosses auf Lehm oder auf Fels stehen.
Im Schloss können wir das 18. und 19. Jahrhundert natürlich nicht einfach weggraben, um zu den älteren Schichten zu gelangen. Also haben wir beschlossen, hier draußen zu graben.
Sieht man die Welt mit anderen Augen, wenn man sich vor allem mit dem beschäftigt, was im Verborgenen liegt?
Mir bereiten besonders die kleinen Funde Freude: Eine Baugrube oder eine Keramikscherbe können oft schöne und sehr aussagekräftige Stücke sein. Der schönste Moment ist aber, wenn sich aus den Einzelbeobachtungen ein Gesamtbild ergibt.
Es ist eine sehr interdisziplinäre Arbeit, denn Historiker, Bauhistoriker, Restauratoren und Archäologen arbeiten eng zusammen. Wir sammeln einzelne Puzzleteile, zusammensetzen können wir sie nur gemeinsam.
Ich habe mittlerweile die Angewohnheit, in jede Baugrube hineinzuschauen, wenn ich einen Bagger sehe, der ein Loch gräbt. Ob es mich etwas angeht oder nicht. (lacht)