Mit gärtnerischem Geschick und ganz viel Pflege
von Katrin Luge und Andreas Pahl
Wie in einem Gartendenkmal verlorengegangene Bäume nachgepflanzt werden, zeigt ein besonderer Ersatz im Weimarer Park an der Ilm.
Weimar, 22. Juni 2011, ein heftiges Gewitter zieht über die Stadt. Starkregen und schwere Sturmböen richten in den Parkanlagen große Schäden an. Im Park an der Ilm brechen mehrere Kronen in der Lindenallee aus. Etliche Bäume in Richtung Shakespeare-Denkmal und Dessauer Stein stürzen um.
Am Römischen Haus ist die imposante mehrstämmige Linde stark geschädigt. Die einzelnen Stämme hatten aufgrund ihres Alters schon verschiedene Schäden. Mehrere Kronensicherungen gab es bereits, um die Baumstatik zu stabilisieren und die gesamte Krone oder einzelne Starkäste am Ausbrechen zu hindern.
Drei Jahre später, 2014, werden neun kleine Bäume, so genannte Heister, gepflanzt, um die Vorgängerlinde zu ersetzen. Tatkräftige Unterstützung gibt es hierbei vom Verein „Grüne Wahlverwandtschaften“. Doch warum und vor allem wie wird die Linde mehrstämmig nachgepflanzt?
Mehrere Bäume in einem Erdloch
Als häufig verwendeter Allee- und Parkbaum ist die Linde für ihre regelmäßige Krone und einen relativ gerade gewachsenen Stamm bekannt.
Die 2011 zerstörte Linde am Römischen Haus stammte jedoch aus einer so genannten Büschel- oder Bündelpflanzung. Dabei werden mehrere Bäume in ein gemeinsames Erdloch gepflanzt. Eine Bündelpflanzung soll ein anderes Bild vermitteln als ein Solitärbaum. Hier stehen die eng gesetzten Stämme und die allmählich zusammenwachsende Krone im Vordergrund. Jahrzehnte später sind auch die Stämmlinge im unteren Bereich scheinbar zusammengewachsen und bilden so einen besonders dicken Stamm.
Für eine Bündelpflanzung finden sich in der Fachliteratur des 19. Jahrhunderts zahlreiche Nachweise. In den „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“ des Fürsten Pückler-Muskau gibt es beispielsweise das schöne Zitat*: „Manchmal sollten mehrere Bäume dicht zusammen, ja in eine und dieselbe Grube, (…) gestellt werden.”
Wann die Gruppe am Römischen Haus gepflanzt wurde, lässt sich nicht genau ermitteln. Die Stämme waren sehr morsch und hohl, so dass eine Zählung der Jahresringe unmöglich war. Entweder wurden die Linden zur Umfeldgestaltung für das neu erbaute Römische Haus um 1800 gepflanzt oder zur Zeit des Hofgärtners Eduard Petzold, also um 1850.
Das prägende Bild eines Gartens erhalten
Nachpflanzungen im Landschaftsgarten sind erforderlich, um abgängige Bäume zu ersetzen und dabei das prägende Bild des Gartens langfristig zu erhalten. Bäume sind pflanzliche Träger der Denkmalsubstanz. Sie prägen einen Ort, sind maßgeblich für die Raumbildung und können beim Betrachter bestimmte Stimmungen und Gefühle hervorrufen.
Im Gegensatz zur Baudenkmalpflege muss sich die Gartendenkmalpflege mit dem ständigen Wandel beschäftigen. Das fängt mit dem Wechsel der Jahreszeiten an und setzt sich mit dem Werden und Wachsen, aber auch mit dem Vergehen und Absterben von Pflanzen und Gehölzen und deren Ersatz fort. Dies gilt insbesondere, da mehr und mehr Bäume, die aus Pflanzungen des 19. Jahrhunderts stammen, sowohl altersbedingt aber auch durch den zunehmenden Einfluss des Klimawandels an ihr biologisches Ende kommen.
Widerstandsfähige Exemplare aus dem Genpool
In der Regel werden Bäume in Gartendenkmälern genau mit der gleichen Gattung und Art wie der Vorgängerbaum exakt am gleichen Standort ersetzt. Voraussetzung ist, dass der Vorgängerbaum ein planerisch beabsichtigter Bestandteil des Denkmals war und nicht aus Wildwuchs hervorgekommen ist. Auch müssen Nachpflanzungen die zunehmenden Belastungen aus Dürreperioden, neuen Pflanzenkrankheiten und dem hohen Nutzungsdruck in den Parkanlagen ertragen können.
Hier nur auf so genannte Klimabäume zu setzen, wäre jedoch verkehrt. Nur durch eine Auswahl an geeigneten Nachfolgebäumen, möglichst der gleichen Gattung, kann die Intention des Denkmals langfristig erhalten werden. Es kommt also vielmehr darauf an, aus dem genetischen Pool der verwendeten Bäume besonders widerstandsfähige Exemplare auszulesen.
Darüber hinaus erfordert es viel gärtnerisches Geschick und jahrelange Pflege, um eine Nachpflanzung erfolgreich zu etablieren. Oft werden zunächst mehrere Exemplare gepflanzt, und der stärkste Baum übernimmt die Rolle des Nachfolgers. Umso ärgerlicher ist es, wenn dieses Exemplar dann mutwillig zerstört wird. Vandalismus beschädigte und zerstörte schon viele Resultate langjähriger Pflege – und damit die Herstellung der Parkbilder und warf auch die biologische Funktion der Bäume um Jahre zurück.
Ideale Bedingungen für Jungbäume schaffen
Für die Neupflanzung der Lindengruppe hatten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gartenabteilung akribisch recherchiert. Nicht einfach war es, passendes Pflanzmaterial zu finden. Es wurden junge Bäume verwendet, die noch keine ausgebildete Krone haben. Diese Junglinden haben eine bessere Chance, sich langsam an den neuen Standort zu gewöhnen und im Laufe der Zeit zusammenzuwachsen.
Um für die Bäume ideale Bedingungen zu schaffen, wurden am ehemaligen Standort die alten Wurzeln mit einem Minibagger entfernt. Auch der Boden wurde ausgetauscht. Dann begann die Pflege: Die Baumscheibe musste immer wieder gelockert und von Aufwuchs befreit werden, regelmäßiges Wässern war sehr wichtig.
Fürst Pückler-Muskau riet in seinen oben bereits erwähnten „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“ auch dazu, „…selten einen Baum pflanzen, ohne ihm einen Dorn zum schützenden Gefährten zu geben”.* Auch das haben die Stiftungsgärtnerinnen und -gärtner berücksichtigt, in dem sie zum Schutz der jungen Lindenstämme Schlehen unterpflanzten.
Einstige Wirkung annähernd erreicht
Für die neue Bündelpflanzung am Römischen Haus ist es nach nunmehr sieben Jahren an der Zeit, die Stämme auf die ursprünglich vorgefundene Anzahl von fünf zu reduzieren. Die Fachkräfte der Gartenabteilung der Klassik Stiftung Weimar werden in Kürze mehrere Stämmlinge entnehmen. Dann ist das Bild der 2011 verlorenen Linde fast vollständig wiederhergestellt. Sie muss noch weiterwachsen. Die ursprünglich vorgesehene gestalterische Wirkung hat sie aber schon annähernd erreicht.
Quelle: Pückler-Muskau, Hermann Fürst von: Andeutungen über Landschaftsgärtnerei, Stuttgart 1834, Seite 88 und 97.
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