Goethe, Schiller und die Weimarer Klassik
Mit Scherz und Scharfsinn: Die ganz besondere Hofdame Anna Amalias
von Marisa Quilitz
Sie war witzig, klug und körperbehindert. Sie genoss Privilegien wie kaum eine andere Frau ihrer Zeit. Goethe, Herder und Wieland schätzten Anna Amalias Hofdame sehr: Luise von Göchhausen.
Luise von Göchhausen wurde 1752 in Eisenach geboren und litt seitdem unter Rachitis, einer Verwachsung der Knochen. Deshalb hatte sie nur geringe Aussicht auf ein Leben als Ehefrau und Mutter. Sie widmete ihr Leben daher dem Dienst am Hof. 1783 ernannte Herzogin Anna Amalia, die sie sehr schätzte, zur ersten Hofdame. Während ihres Dienstes am Weimarer Hof lernte Luise von Göchhausen zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus Literatur, Kunst und Musik kennen. Mit vielen freundete sie sich an. Etliche ihrer Briefe an Goethe, Knebel, Wieland oder Herder belegen, wie sehr sie dieses Privileg schätzte.
Doch sie genoss ihre Privilegien nicht nur. Anna Amalia setzte ihre erste Hofdame auch als Autorin für das „Journal von Tiefurt“ ein. Ein handgeschriebenes Magazin, das dem Weimarer Musenhof zum Zeitvertreib diente und in dem elitären Kreis von Hand zu Hand weitergereicht wurde. Auch Goethe war am Weimarer Musenhof tätig. Ihr Verhältnis zu dem Dichter war vertraulich. Er ließ sie mehrfach seine Manuskripte abschreiben. So entstand auch eine Abschrift von Goethes sogenanntem „Urfaust“. Hätte man sie nicht in Luise von Göchhausens Nachlass entdeckt, wäre dieses wichtige Dokument verloren gewesen. Auch Goethes Mutter „Aja“ kannte und schätzte die kleine Frau so sehr, dass sie ihr Briefe in Versform schickte, hier ein Auszug aus dem vom Februar 1785:
„Mein Theures Freulein!
Des Danckes viel,
Vor deinen Brief im gereimten Stiel
Wolte mich freuen mit Hertz u Muth
Wen mirs gerithe auch so gut.
Aber als mich meine Mutter gebahr,
Kein Poeten Gestirn am Himmel war;“
Audienz beim Papst
Als Goethe im Mai 1788 von seiner Italienreise nach Weimar zurückkehrte, weckten seine leidenschaftlichen Schilderungen bei der Herzogin das Reisefieber. Nur rund drei Monate später, am 15. August, brachen sie und ihre siebenköpfige Reisetruppe für knapp zwei Jahre nach Italien auf. Darunter auch Luise von Göchhausen. In einem Brief an Goethe beschreibt sie detailliert, wie ihr Alltag in Rom aussah: „22. November 1788. Auch wüßte ich nicht, wo einem die zeit kostbarer seyn könnte als hier in dieser Welt voll Merkwürdigkeiten. Jeder Vormittag, sehr wenige ausgenommen, sind der Kunst gewidmet, wir sahen noch jeden etwas neues, ich nehme das Musäum und noch einige Dinge, als das Pantheon, die Peters Kirche aus, wohin wir oft wiederholte Wallfahrten machen. Bey diesen Vormittägigen Wanderungen begleitet uns Herder und Reifenstein. Wir fahren gegen 10 Uhr aus und komen um 2 wieder zurük. […] und der Abend versammelt alles um den Thee Tisch, um welchen sich denn verschiedene der hiesigen Bekanden mit einfinden. Da jetzt kein Theater ist, werden auch zuweilen kleine Concerte veranstaltet.“
Unter den Bekannten war unter anderem die Malerin Angelika Kauffmann. Weil Goethe ihr nicht antwortete, reagierte die Hofdame auf ihre eigentümlich witzelnde, direkte Art: „Es kränkt mich oft daß jedermann, außer die Herzogin und ich, Briefe von Ihnen bekommt. Schön ist das nicht, und wenn Sie nicht freundlicher werden, kommen wir nicht wieder nach Hauß.“ Luise von Göchhausen verfasste aber nicht nur Briefe an ihre Liebsten in der Heimat, sie hielt alle Erlebnisse auch minutiös in ihrem Reisetagebuch fest, das heute als wichtiges Zeitdokument gilt. Ein bedeutendes Ereignis auf dieser Reise war ihre Begegnung mit Papst Pius VI. am 23. November 1788: „Die Herzogin ging allein zum Papst und blieb eine halbe Stunde drinnen als dann stellte die Principessa Santa Croce auch den Einsiedel und mich vor.“
„Mocquantes Geschöpf“
Auch Schiller lernte das „Thuschen“, wie sie liebevoll von den Mitgliedern des Musenhofes genannt wurde, im Sommer 1787 kennen. Von der Herzogin nach Schloss Tiefurt eingeladen, „schwatzte“ er dort einen Nachmittag lang galant mit den beiden Damen. In einem Brief an seinen Freund Christian Gottfried Körner beschreibt er Luise von Göchhausen als „ein verwachsenes und mocquantes Geschöpf.“ „Mocquant“ bedeutet spöttelnd. Und für diese spöttelnde, direkte Art schätzten sie die meisten.
Gegen Ende der Italienreise sollen sie und die Herzogin sich jedoch verstritten haben, das geht aus einem Brief von Goethe an Knebel vom 17. Oktober 1790 hervor: „Die Herzoginn Mutter ist schon seit einem Jahr mit der Göchhausen radicaliter brouillirt, es ist nicht möglich daß sich das Verhältniß wiederherstelle. Die Herzogin wünscht sie je eher je lieber loß zu werden […].“ Doch die beiden Frauen waren so eng miteinander verbunden, dass sie sich wieder vertrugen. Luise von Göchhausen starb am 7. September 1807, knapp fünf Monate nach ihrer Herzogin Anna Amalia.
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