Nachgefragt bei Gerda Wendermann
Frau Wendermann, Sie sind Kuratorin und Projektleiterin der Ausstellung »Krieg der Geister. Weimar als Symbolort deutscher Kultur vor und nach 1914«, die noch bis 9. November 2014 im Neuen Museum stattfindet. Seit wann sind Sie in der Stiftung und wie sind Sie überhaupt zur Stiftung gekommen?
Ich lebe seit 1993 hier in Weimar. Zuvor war ich wissenschaftliche Volontärin an der Hamburger Kunsthalle. Ich muss dazu sagen, dass so kurz nach dem Fall der Mauer, natürlich mit großem Interesse auf diesen Teil Deutschlands geschaut wurde.
Als sich eine Kustodenstelle bei den damaligen Weimarer Kunstsammlungen anbot, mit Schwerpunkt Kunst des 20. Jahrhunderts, hat mich das sofort ungeheuer interessiert. Durch meine Dissertation, die sich mit der Rezeption des Neoimpressionismus auseinandersetzte, hatte ich bereits thematische Bezüge zu Weimar.
Auch das Bauhaus war natürlich ein großer Anknüpfungspunkt – in der Kunsthalle Hamburg hatte ich eine Ausstellung über einen Bauhausschüler organisiert. Und eben Harry Graf Kessler und das neue Weimar sowie die Rezeption des Neoimpressionismus unter Kesslers Museumleitung.
Weimar war für mich einfach ein in mythischer Ort, dem ich während meines Studiums und auch später immer wieder begegnet bin. Durch die neue politische Situation ergab sich damals die Möglichkeit hierher zu kommen. Diese Aufbruchssituation war einfach enorm spannend. Es gab viele Möglichkeiten noch etwas zu bewegen, weil sich alles neu orientieren musste.
Als Kuratorin haben Sie schon viele Ausstellungen in Weimar begleitet. Liegt Ihnen eine besonders am Herzen?
Ich kann sagen, dass es ein wirklich prägendes Ereignis war, das Neue Museum zu rekonstruieren und es als ein Museum für zeitgenössische Kunst einzurichten. Das war im Kulturstadtjahr 1999, als vieles zusammenkam. Ich habe damals ungeheuer viel erlebt – Begegnungen mit Künstlern aus allen Teilen der Welt.
Das Neue Museum ist damals von Künstlern ausgestattet worden. Daniel Buren hat das Treppenhaus gestaltet und Robert Barry entwarf eine Textinstallation für das Café im Neuen Museum. Das Foyer ist nach einem Entwurf von Sol LeWitt gestaltet worden.
Später habe ich einen beruflichen Wandel erlebt. Ich wendete mich mehr der Kunst des 19. Jahrhunderts und der Jahrhundertwende zu. Meine Abschiedsausstellung, wie ich sie nenne, im Bereich der zeitgenössischen Kunst war 2007 die Ausstellung »Weimarer Räume« mit der Fotografin Candida Höfer.
Das war eine ganz wunderbare Erfahrung. Mit Candida Höfer und ihrem Assistenten durch Weimar und Umgebung zu fahren und an bestimmten Orten, die wir miteinander abgestimmt hatten, Aufnahmen zu machen – das war ein wirklich intensives Erlebnis. Sie arbeitet ja mit einer großen Plattenkamera und einer ganz langen Belichtungszeit ohne Kunstlicht. Oft dauerte es fast eine Stunde, bis das Klick-Geräusch kam.
Candida Höfer hat damals auch im Rokokosaal der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, kurz vor dem schrecklichen Brand, diese berühmte Innenaufnahme gemacht, die heute im Lesesaal hängt.
Welche war die erste Ausstellung überhaupt für Sie als Kuratorin in Weimar?
Das waren Im Sommer 1993 zwei parallele Ausstellungen: einmal »Josef Beuys. Die innere Mongolei« , die im heutigen Bauhaus-Museum, der damaligen »Kunsthalle am Theaterplatz« gezeigt wurde. Eine schöne Ausstellung. Und eine Ausstellung mit Lyonel Feiningers »Naturnotizen«.
Lyonel Feininger war ja ein begeisterter Radfahrer und erkundete von circa 1906 bis in die 20er Jahre hinein, während seiner Bauhauszeit, die kleinen Dörfer in der Umgebung Weimars – besonders die Dorfkirchen hatten es ihm angetan. In vielen Briefen schrieb er seiner Lebensfreundin und späteren Ehefrau Julia in Berlin über das kleine »Weimarlein«. Das war ein sehr guter Einstieg für mich kurz nach meinem Umzug nach Weimar.
Erinnern Sie sich an Ihren ersten Ausstellungbesuch?
Ich bin im Ruhrgebiet groß geworden, in Bottrop. Bottrop war zu der Zeit keine Stadt, die irgendwie mit Kunst und Ausstellungen etwas zu tun hatte. Das Josef Albers Museum wurde erst später gegründet. Aber meine letzten zwei Schuljahre habe ich in Essen verbracht, wo ich das Folkwang Museum kennen und lieben gelernt habe … Das Folkwang-Museum besitzt eine herausragende Sammlung der klassischen Moderne sowie eine ungewöhnliche Fotografie-Sammlung in einem wunderschönen schlichten Gebäude aus den 60er Jahren. Das hat mich schon sehr geprägt und im Grunde auch meine Entscheidung beeinflusst, dann Kunstgeschichte zu studieren.
Ich habe Mitte der 70er Jahre angefangen Kunstgeschichte zu studieren, ein so genanntes Orchideenfach, wie es damals hieß. Alle haben mich davor gewarnt. Auch im ersten Propädeutikum wurde sofort gesagt, eigentlich können Sie alle nach Hause gehen, Sie werden nie die Chance haben, in diesem Beruf zu arbeiten.
Was macht für Sie eine gute Ausstellung aus?
Ich denke entscheidend sind ein klares Konzept, eine gute, präzise Auswahl der Exponate und die Art der Präsentation. Man darf von den Exponaten nicht erschlagen werden. Das haben wir uns auch immer bei der Organisation von »Krieg der Geister« in Erinnerung gerufen.
von Toska Böhme und Caroline Pusch