Wie sah Nietzsches Schlafzimmer aus? Wer gärtnerte in der Orangerie im Schlosspark Belvedere? Regelmäßig öffnen die #kulTÜRöffner Kirsten Münch und Felix Zühlsdorf die Türen der Klassik Stiftung Weimar, die während der Pandemie geschlossen waren. Inzwischen sind die Live-Führungen der Kulturvermittler auf Instagram so beliebt, dass auch nach Wiedereröffnung der Häuser weitere Folgen geplant sind. Foto: André Kühn ©Klassik Stiftung Weimar
Sinnliche Kultur im Internet?
Corona führte die Klassik Stiftung Weimar noch stärker ins Internet. Warum sich das als Glücksfall erwies, berichten die Referent*innen für kulturelle Bildung bei der Klassik Stiftung Weimar, Felix Zühlsdorf und Sophia Gröschke.
Corona-Frühjahr 2020: Die Klassik Stiftung Weimar muss ihre Häuser schließen. Museen, Archive, Bibliotheken sind zu. Schulklassen, Familien und andere Gäste, die sonst vor Ort die Angebote der kulturellen Bildung nutzen, bleiben weg. Wie kann man die Menschen jetzt erreichen? Wie kann Kultur statt analog nun im digitalen Raum vermittelt werden? Ist das überhaupt möglich: sinnliche Kultur im Internet erleben?
„Willkommen in der Digitalen Werkstatt und zur ersten Folge von Bauhaus (zu Hause) machen“ hieß es Mitte April 2020 auf den Social Media-Kanälen der Klassik Stiftung Weimar. Was uns mittlerweile seit einem Jahr begleitet, war damals noch recht neu.
Digitale Werkstatt Bauhaus (zu Hause) machen:
Kurz, lebendig, interaktiv
Kurze Videoclips luden einmal wöchentlich zum Mitmachen ein – zunächst zu Themen des Bauhauses und der Moderne – später auch zu Themen rund um das 18. Jahrhundert.
Nach einem kurzen Moment des (scheinbaren) Stillstands wurden sehr schnell Formate wie dieses gefunden, die sich zunächst an unsere Vermittlungsstrategien im analogen Raum anlehnten und sie ins Digitale übertrugen: Live-Führungen auf Instagram, die das Prinzip öffentlicher Führungen aufgriffen, aber zugleich dem neuen Medium gerecht werden mussten. Kürzer mussten sie sein, möglichst lebendig und interaktiv und thematisch zur Situation passen. #stayathome war die Devise und wir wollten wissen, wie es bei Schiller und Co. im Homeoffice aussieht. Die digitalen Besucher*innen folgten uns begeistert.
Stay @home bei Schiller:
Ideen, die schon länger in unseren Köpfen waren, konnten nun umgesetzt werden. Aber auch neue Konzepte mussten her. Dabei konnten wir auf zahlreiche Erfahrungen aufbauen.
So gibt es mit Youpedia , ehemals Weimarpedia, seit mehr als zehn Jahren Erfahrungen in der Arbeit mit digitaler Kulturvermittlung. Ursprünglich war das Ziel hier, den Besuch vor Ort durch Materialien anzureichern und zum Beispiel durch eigene kleine Fotostorys zu verarbeiten. Doch jetzt waren die Museen geschlossen! Die Frage war nun, welche Möglichkeiten der digitalen Vermittlung ohne analogen Besuch sinnvoll sind.
Wer ist das „ominöse“ digitale Publikum?
Die Plattform bauhaus-machen.de, die aus dem Projekt der „Bauhaus Agenten“ hervorging, war ein Anfang: Sie ist darauf ausgelegt, Nutzer*innen unabhängig von einem Museumsbesuch an den Weimarer Inhalten zur Moderne teilhaben zu lassen, zum Beispiel durch Anleitungen für eigene Workshops.
So losgelassen auf das „ominöse“ digitale Publikum sendete – und sendet – die Klassik Stiftung Weimar Inhalte an eine potenziell riesige Zielgruppe. Fragezeichen begannen zu schwirren: Wer nutzt die Angebote? Was sagen die Klickzahlen – und was nicht? Wo finden unsere digitalen Angebote ihren Platz in einer Welt, in der es tausende weitere gibt? Wie können auch unsere digitalen Projekte inklusiv und partizipativ gestaltet werden? Wie kann der Besuch für die Gäste sowohl digital als auch vor Ort zu einem Gewinn werden?

Wer ist das „ominöse“ digitale Publikum? Foto: Henry Sowinsky
Eines war von Beginn an klar: Nur durch intelligente Abstimmung von digitalen mit analogen Angeboten ist garantiert, dass die neuen digitalen Formate auch nachhaltig in unsere Strategie einfließen und sich für unser Publikum auszahlen.
Zwei Projekte der Zukunft
Erste Antworten auf diese Fragen wollen wir nun mit zwei Projekten im Rahmen des deutschlandweiten Verbundprojektes museum4punkt0 finden.
Ein Projekt widmet sich der Evaluation der „Digitalen Werkstatt“. Mit dem Feedback unserer Nutzer*innen soll sie weiterentwickelt werden. Ziel ist es, ein flexibles Evaluierungstool zu entwickeln, mit dem zukünftig digitale Stiftungsprojekte besser ausgewertet werden können.
Das zweite Projekt stellt das Zusammenspiel von digitaler Anwendung und musealem Ort in den Fokus – am Beispiel des Rokokosaals der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Ziel ist hier, digital zu erreichen, was Besucher*innen vor Ort sehr gern tun würden: Einfach ein historisches Buch aus dem Regal nehmen und darin blättern. Dafür wird die App Weimar+ erweitert.
Rückblickend lässt sich sagen: Corona hat der digitalen kulturellen Bildung einen Schub versetzt. Dennoch stehen wir mit vielen Fragen zu Bedürfnis und Nutzungsverhalten unseres digitalen und analogen Publikums am Anfang. Wir wollen erfahren, was es wirklich braucht, damit unser diverses Publikum digital und vor Ort von unseren Angeboten profitiert. Nur dann können wir sagen, dass wir als Klassik Stiftung Weimar unseren Bildungsauftrag auch im Digitalen erfüllen.
Schon bekannt? Die #kulTÜRöffner LIVE auf Instagram
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