Die Parks leiden unter Wetterextremen
Die Aufräumarbeiten nach dem schweren Unwetter Mitte August sind zu großen Teilen abgeschlossen. Ein Gespräch mit Catrin Seidel, Abteilungsleiterin Gärten, und Christian Lentz, Gartenreferent, über Möglichkeiten, klimatischen Extremereignissen zu begegnen.
Das schwere Unwetter ist nun schon etwas länger her. Welche Schadensbilanz ziehen Sie?
Seidel: Das Unwetter mit lokalen Sturm- und Hagelereignissen und sehr starkem Regen versursachte große Schäden im Park an der Ilm sowie den Schlossparks Tiefurt und Belvedere. Der Schlosspark Ettersburg und der Gutspark Oßmannstedt waren kaum betroffen. Allein in Belvedere waren 24 Bäume entweder schon gefallen oder so stark geschädigt, dass sie gefällt werden mussten. Weitere 250 Bäume wurden durch den Sturm geschädigt, davon ungefähr 100 stark. Zudem sind durch den starken Regen Schäden an den Wegen entstanden. Hinzu kommen Schäden an den Bauwerken, die etwa durch umgestürzte Bäume entstanden sind. In Belvedere sind beispielsweise die große Grotte betroffen, aber auch Teile des Wirtschaftsbereichs in der Gärtnerei. Da der Possenbach aufgrund des massiven Regens viel Wasser geführt hat, wurden teilweise auch Brücken unterspült.
Was bedeutet es konkret, wenn ein Baum stark geschädigt ist? Kann er erhalten werden?
Seidel: Die Bäume können stehen bleiben, aber sie sind im Erscheinungsbild stark verändert, weil beispielsweise große Kronenteile ausgebrochen sind, und sie benötigen eventuell zusätzliche Pflegemaßnahmen. Es können Risse aufgetreten oder Teile ungünstig abgebrochen sein, sodass es Auswirkungen auf die Statik des Baums hat. Mittel und schwach geschädigt bedeutet, dass zwar etwas herausgebrochen ist, die Schäden aber keinen langen Pflegeaufwand nach sich ziehen.
Lentz: Ein weiterer Aspekt sind neu entstandene Lücken im Baumbestand. Wenn ein Baum vorher Teil einer Baumgruppe war und jetzt allein steht, dann ist er anfälliger gegenüber Wind und nicht so fest gewachsen, da er sich vorher sozusagen auf seine Umgebung verlassen konnte. Das alles hat Konsequenzen, die verschiedenen Baumarten reagieren unterschiedlich.
Sie haben die Unwetterschäden mit einem mittleren sechsstelligen Betrag beziffert. Wie setzt sich diese Summe zusammen?
Seidel: Diese Summe beinhaltet nur die wirklich notwendigen Arbeiten, die zur Beräumung, Begutachtung und auch Wiederherstellung notwendig sind. Hinzu kommen die Schäden an den Gebäuden und Wegen.
Wie können Gärten und Parks auf Unwetterereignisse vorbereitet werden?
Seidel: Wir haben zunächst den gesetzlichen Auftrag, die Gartendenkmale als Gartenkunstwerk zu erhalten. Wir sind hier an ein bestimmtes Bild gebunden und das betrifft nicht nur die Gehölze, das betrifft auch die Wege, die Wiesen, also alle Elemente, die in einem Park vorhanden sind, weil sie von einem Gartenkünstler so erdacht worden sind und als Gesamtbild funktionieren. Wir können nicht einfach Kastanien pflanzen, wenn Linden schlechter mit dem Klima zurechtkommen. Wir müssen versuchen, die uns zur Verfügung stehenden Gehölze widerstandsfähiger zu machen, was in der Regel schwer ist, da sie aufgrund ihres Alters nicht mehr so vital sind.
Welche langfristigen Strategien verfolgen Sie, um die Parks auf künftige Unwetterereignisse und die Folgen des Klimawandels vorzubereiten?
Seidel: Bei diesen extremen Wetterereignissen, die uns in den letzten Jahren gehäuft begegnen, gibt es verschiedene Phänomene. Beispielsweise die Frage des Niederschlags: Die Menge bleibt insgesamt gleich, aber er tritt zu anderen Zeiten und gehäuft auf. Wir haben lange Trockenzeiten im Frühjahr, in diesem Jahr sogar vom Frühjahr bis in den Sommer, haben weniger Niederschläge, weniger Schnee in den Wintern. Es fehlt also schon Wasser, wenn sich die Gehölze im Herbst und im Winter auf die nächste Vegetationsperiode vorbereiten. Und damit fehlt ihnen auch Vitalität für das nächste Jahr. Von Starkregen haben die Pflanzen in der Regel nicht viel, wenn der Boden sehr trocken ist, da das Wasser einfach wegfließt, nicht tief genug eindringt und nicht lange genug im Boden bleibt. Hierzu gibt es schon Forschungsprojekte, wie beispielsweise Neupflanzungen an diese Klimaphänomene angepasst werden können. Vielleicht sind dem ein oder anderen die Bewässerungssäcke aufgefallen, die wir mittlerweile an Neupflanzungen aufstellen, um auch bei Trockenheit für eine gleichmäßige Durchfeuchtung des Bodens zu sorgen. Eine weitere Frage ist, ob und wie man besondere Mulchmaterialien verwenden kann, um das Wasser länger im Boden und für die Pflanzen verfügbar zu halten. Daher überlegen wir, in welchen Bereich wir selbst Teststrecken durchführen können und testen auch jetzt schon an unseren Gehölzen bestimmte Wässerungs-, Düngungs- und Bodenlockerungsverfahren.
Lentz: Wir arbeiten auch mit klassischen gärtnerischen Maßnahmen, die bereits unsere Vorfahren eingesetzt haben. Zum Beispiel haben wir uns mit einem Förster beraten und im Schlosspark Tiefurt Eichensämlinge aus Thüringen gepflanzt, um die Bäume rechtzeitig an den Standort zu gewöhnen. Da es dort im Hangbereich keine historisch festgelegten Standorte für die Bäume gibt, können wir abwarten, welche Bäume sich durchsetzen. Wichtig ist, dass die Samen aus der Region stammen, dort gekeimt und genetisch an Klima und Boden angepasst sind.
Seidel: Die von jedem spürbare Klimaveränderung ist ein nationales und weltweites Problem. Wie wollen wir, dass unsere historischen Gärten und Parkanlagen als einer der für den Klimawandel anfälligsten Bestandteile des vielfältigen kulturellen Erbes in Deutschland und Europa in 50 oder 100 Jahren aussehen? Wie können wir erreichen, dass auch unsere Kinder und Enkel die grünen Kunstwerke eines Herzogs Carl August oder Goethes in ihrer authentischen Gestaltung bewundern können? Langfristige Strategien brauchen als Grundlage eine interdisziplinäre, wissenschaftliche Erforschung unserer Gartenkunstwerke und diese ist im besten Fall national oder weltweit vernetzt. Naturwissenschaftler, wie beispielsweise Klimaexperten, Bodenkundler, Forstwissenschaftler, mit den wissenschaftlichen Gartendenkmalpflegern sowie den Parkleitern und den Gärtnern der Abteilung Gärten der Klassik Stiftung, die über ein unschätzbares langjähriges Erfahrungswissen verfügen, müssen gemeinsam mit Kunsthistorikern und Sozialwissenschaftlern an Präventivmaßnahmen zur Stärkung des grünen Welterbes arbeiten.
Die Klassik Stiftung arbeitet beispielsweise seit 2015 an einer Studie zur Ilm als elementarem Bestandteil dreier Gärten (Park an der Ilm, Schlosspark Tiefurt und Gutspark Oßmannstedt) und der von ihr ausgehenden Hochwassergefahr. Die Fragen nach möglicher Schadensminimierung oder gar -vermeidung sollen beantwortet werden und mit allen Fachdisziplinen wie dem Denkmalschutz, Naturschutz, den Wasserbehörden sowie der Thüringer Landesamt für Umwelt und Geologie zu einem breit getragenen Konsens führen. Die Ilm ist integraler Bestandteil der z. T. Unesco-Welterbeparkanlagen in Tiefurt und Weimar, ihre historische Gestaltung soll erhalten bleiben und mit den EU-Anforderungen an weitestgehend natürlich zu belassende Flussläufe in Einklang gebracht werden.
Doch das Spektrum der noch offenen Fragen zu unseren Gärten ist groß, weitere Projekte sind notwendig. Und die Zeit drängt. Die Stiftung braucht dafür mehr Ressourcen.
Können Parks und Gärten überhaupt auf extreme Wetterereignisse vorbereitet werden?
Seidel: Wir haben schon Kommentare wie »Bei jedem Sturm knicken die Bäume ab wie Streichhölzer, warum tun die Verantwortlichen nichts dagegen?« gehört. Aber wir können doch nicht vorbeugend alle Bäume so stark beschneiden, dass sie vermeintlich sicher sind. Wohin würde sich dann unser Stadtbild bzw. unser Parkbild entwickeln? Auch, dass wir die Wege asphaltieren sollten, wird uns öfter entgegen gehalten. Die besondere Atmosphäre in den Parkanlagen, das historische Bild, zu dem auch die wassergebundenen Wege gehören, die Geräusche, das Gefühl, über einen Parkweg zu laufen, das alles wäre hin. Außerdem trüge eine weitere Versiegelung der Flächen zu einer schlechteren Ökobilanz bei, größere Erhitzung im Sommer, geringere Wasseraufnahme des Bodens, mehr Verdichtung in den Wurzelbereichen von Bäumen, die am Wegrand stehen, Schädigung ihrer Mykorrhiza – ein Teufelskreis.
Lentz: Unsere Parks gehören zum Weltkulturerbe, hier geht nicht um praktisch, sondern um authentisch – sowohl was die Materialität als auch das Gesamtbild betrifft. Wir sind bezüglich unserer Parks der Verkehrssicherheit verpflichtet, das heißt, wir kontrollieren regelmäßig alle Gehölze, die potenziell verkehrsgefährdend sein könnten, also an Wegen stehen oder für Gebäude gefährlich werden könnten. Aus den Ergebnissen der Kontrollen leiten wir Maßnahmen ab, die zum Erhalt des Baums beitragen oder veranlassen weitere Untersuchungen. Wir tun alles, weil wir natürlich auch nicht wollen, dass Menschen gefährdet werden. Dennoch wird es nie einen zu einhundert Prozent sicheren Park geben, gerade bei Sturmereignissen, da hier noch viele weitere Faktoren eine Rolle spielen. Der große Unterschied zu anderen Grünanlagen ist, dass wir nicht leichtfertig historische Bäume entfernen können, sondern versuchen müssen, sie so lange wie möglich zu erhalten.
Seidel: Eine Ergänzung, weshalb wir beispielsweise im Park an der Ilm bestimmte Liegewiesen kennzeichnen, die meisten Flächen aber nicht betreten werden sollen: Wenn wir sicher sein können, dass bestimmte Wiesen nicht betreten werden, dann können die Bäume dort in Ruhe altern, was ja auch dem Bild des Landschaftsgartens entspricht. Hier steht der Garten im Vordergrund. Bei den Flächen, die als Liegewiesen freigegeben sind, gehen wir mit einer anderen Sicherheitserwartung an die Bäume heran und müssen sie anders behandeln.
Es geht in den Parks also auch immer darum, einen Kompromiss zwischen Nutzung und Erhaltung zu finden.
Seidel: Natürlich freuen wir uns, dass viele Menschen unsere Parks besuchen, das ist ja auch eine Art von Wertschätzung. Sie erkennen, dass sie sich in einem besonderen Raum befinden, schätzen ihn und fühlen sich wohl, deshalb halten sie sich gern dort auf. Aber wir versuchen zu sensibilisieren, dass selbst kleinste Dinge zur Zerstörung der Parks führen können. Beispielsweise gibt es an der Sternbrücke im Park an der Ilm eine Stelle, an der häufig Enten gefüttert werden. Dort ist das Ufer mittlerweile so stark ausgetreten, dass jedes Hochwasser, jeder Starkregen es immer weiter abträgt, bis das Ufer irgendwann weggespült ist. Die Herausforderung ist, zwischen unserem Auftrag, das Welterbe zu erhalten, und den Besucheransprüchen zu vermitteln.
Lentz: Ich denke, dass die Parks auch eine Art Museum sind. Sie sind wie ein dreidimensionales Wandgemälde und transportieren eine bestimmte Stimmung, auf die man sich einlassen können muss. Das ist heutzutage beinahe schon schwierig, da beispielsweise der Park an der Ilm infrastrukturell genutzt wird. Für die heutige Schnelligkeit ist er mit seinen verschlungenen Wegen eigentlich nicht gemacht. Unser Auftrag ist es, das universelle Erbe für die künftigen Generationen zu vermitteln und zu bewahren, daher gibt es auch eine Parkordnung. Würden wir alle Nutzungen zulassen, dann wäre in kürzester Zeit nichts mehr da. Vieles geschieht aber aus Unachtsamkeit oder Unwissen, deshalb wollen wir stärker vermitteln und aufklären.