Wo die Freundschaft Früchte trägt
Das um 1800 von Carl von Stein erbaute Liebhabertheater Schloss Kochberg ist weltweit das einzige Privattheatergebäude dieser Zeit. Der Verein »Freunde des Liebhabertheaters Schloss Kochberg« hat, nachdem er zuvor unterstützend tätig war, den Theaterbetrieb 2005 komplett übernommen. In Zusammenarbeit mit der Klassik Stiftung Weimar, Eigentümer der gesamten Schlossanlage, leitet der Verein das Theater sowohl künstlerisch als auch wirtschaftlich nahezu ohne öffentliche Förderung. Silke Gablenz-Kolakovic ist seit 2000 im Vorstand des Vereins, seit 2003 Vorstandsvorsitzende und steht im Folgendem Rede und Antwort:
Frau Gablenz-Kolakovic, wie sind Sie dazu gekommen, sich für das Liebhabertheater zu engagieren?
Das war eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Ich bin in Hamburg, einer Theaterstadt, groß geworden. Ich war das erste Mal mit vier Jahren im Hamburger Schauspielhaus und weiß das bis heute noch haargenau. Damals hat es mich gepackt. Ich hatte immer etwas mit Theater zu tun. Kochberg ist das Schloss meiner Vorfahren und insofern liegt es natürlich sehr nahe, sich dafür zu engagieren und dafür zu sorgen, dass es gut läuft.
Das Theater verfügt nur über 75 Sitzplätze und wird sicherlich auch deshalb »Musenhof en miniature« genannt. Übersteigt die Nachfrage oft Ihre Kapazitäten?
Und wie. Es gibt lange Wartelisten. Zum Beispiel machen wir zu Ostern immer eine Veranstaltung unter dem Titel »Vom Eise befreit« mit der Osterszene aus Goethes Faust und einem anschließenden Osterspaziergang im Park. Das ist eine Art Kultveranstaltung und es gibt ein Jahr vorher schon Anmeldungen.
Sicherlich ist dieser kleine Raum für viele Ihrer Veranstaltungen ein angemessener und angenehmer Rahmen?
Ja, das zauberhafte Privattheater aus der Zeit der Klassik mit seiner intimen Atmosphäre ist eine besondere Erfahrung für Künstler und Besucher, die hier Werke der Klassik bis Romantik am authentischen Ort erleben. Die Sprache Wielands z. B. tanzt durch diesen Raum, das ist unglaublich. Wir bringen viele Konzerte auf Originalinstrumenten, wie auf dem Broadwood-Hammerflügel aus der Sammlung Beetz von 1808 oder auf einem Flügel wie Brahms ihn hatte. Die Besucher kommen nach vorn, lassen sich den Hammerflügel erklären und gucken sich alles genau an. Viele Konzerte sind außerdem moderiert. Wir lesen Briefe von Mendelssohn, wenn wir Mendelssohn spielen, oder erzählen etwas über Beethoven und seine »unsterbliche Geliebte«.
Der Verein »Freunde des Liebhabertheaters Schloss Kochberg« feierte in diesem Jahr am 02. September sein 20-jähriges Jubiläum und blickt auf eine ereignisreiche Geschichte zurück. Was war 1991 der Anlass für die Gründung des Vereins?
Kurz nach der Wende haben zwei Münchener Rechtsanwälte gelesen, dass Wielands »Pervonte oder die Wünsche« in einem kleinen Theater in Thüringen gezeigt wird und sind hingereist. Sie waren so begeistert, dass sie kurzerhand den Entschluss gefasst haben, sich für das Liebhabertheater zu engagieren. Die damalige Leiterin Frau Förster-Stahl, die beiden Münchener und Frau Marschall aus Weimar haben daraufhin spontan den Förderverein gegründet – zwei Menschen aus dem Osten und zwei aus dem Westen, eine richtig schöne Wiedervereinigungsgeschichte. Mit Rat und Tat wollten sie dem Theater zur Seite zu stehen. Heute zählt der Verein 150 Mitglieder weltweit.
2005 übernahmen die »Freunde des Liebhabertheaters« den Theaterbetrieb in ihre Verantwortung, um das Theater vor einer Schließung zu bewahren. Wie genau kam es dazu?
Die Klassik Stiftung durfte das Theater nicht weiter betreiben, weil ein solcher Betrieb natürlich defizitär ist. Es gab nur zwei Möglichkeiten, entweder es wäre geschlossen worden oder jemand musste sich darum kümmern. Daraufhin haben wir eine Krisensitzung bei mir zu Hause abgehalten und uns dazu entschieden, wir machen das. Nicht ahnend, wie viel Arbeit es im Endeffekt werden würde. Ich habe von Vornherein damit gerechnet, dass ich ein Drittel meiner Arbeitszeit zur Verfügung stelle, und jetzt sind es 90 Prozent und eine 60 Stunden Woche. Das Ganze wäre ohne die vielen Freunde, die unser Theater hat, nicht möglich. Da sind vor allem meine Vorstandskollegen und unsere Mitarbeiter, ohne deren Einsatz und Engagement der Betrieb nicht laufen könnte. Und wir erfahren Unterstützung von Unternehmen, Institutionen und Ensembles.
Sie veranstalten pro Jahr über 40 hochkarätige Theater- und Opernaufführungen sowie Konzerte und Lesungen. Wie haben Sie es geschafft, ein so vielseitiges und qualitativ hochwertiges Angebot Saison für Saison auf die Beine zu stellen?
Wir haben ein wunderbares Netzwerk renommierter, befreundeter Künstler. Es gibt immer ein Jahresmotto, in diesem Jahr ist es »Frei aber einsam«, das Lebensmotto von Joseph Joachim. Im nächsten Jahr »Wo die Freundschaft Früchte trägt«, was so wunderbar zu uns passt. Dem entsprechend gestalte ich den Spielplan zusammen mit Künstlerfreunden mit eigenen Produktionen und Gästen. Wir haben inzwischen ein sehr gut nachgefragtes Repertoire mit Werken der Weimarer Klassik, das wir immer wieder bringen. Wir zeigen zum Beispiel eine nur auf Originaltexten basierende Dramatisierung des Briefwechsels Schiller – Goethe, Goethes »Reineke Fuchs« im Schlosspark, Schillers Lustspiel »Der Parasit« und Goethes »Tasso«. Die nächste Eigenproduktion wird Goethes Singspiel »Erwin und Elmire« sein, vertont von Herzogin Anna Amalia in historischer Aufführungspraxis. Wir sind gerade dabei, nach alten Portraits aus dem Weimarer Umfeld von 1770 – 1780 Kostümvorlagen auszuwählen.
Welche Pläne hat das Liebhabertheater für die Zukunft?
Im Frühjahr wird das Museum wieder eröffnet. Zwei Millionen Euro hat die Klassik Stiftung jetzt an Sanierungs- und Restaurierungsmaßnahmen im Schloss verbaut, für die wir uns gemeinsam eingesetzt haben. Wir selbst haben für die Restaurierung des Theaters ca. 30. 000 Euro Spenden zusätzlich eingebracht. Wenn alles fertig ist und auch der Westflügel des Schlosses durch Seminarräume nutzbar wird, haben wir z. B. gemeinsam mit der Stiftung vor, dort Meisterkurse in historischer Aufführungspraxis anzubieten.
Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Von Elisa Zimmer