Goethe, Schiller und die Weimarer Klassik
Das Abenteuer der Vernunft
Heute, in einer Zeit, die wie keine andere von den Naturwissenschaften geprägt ist, gehört Wissenschaftsgeschichte nicht zum Bildungskanon, nicht zum Allgemeinwissen. Nicht einmal die Naturwissenschaften gehören wirklich dazu. Wer ist Carl von Linné? Was genau hat Humboldt erforscht, entdeckt, beschrieben? Oder wer ist der Schöpfer der Urknall-Theorie? So kommt es, dass unser Allgemeinwissen diesbezüglich mehr aus Irrtümern und Legenden besteht, als aus Verbürgtem.
Im Mittelalter soll der Glaube an die Erde als Scheibe weit verbreitet gewesen sein?
Im Mikroskop soll man im 17. Jahrhundert in den Spermien Homunculi – kleine, bereits fertige Menschenwesen – gesehen haben?
Humboldt soll der erste Klimaschützer gewesen sein?
Für alle diese Behauptungen gibt es keine Belege. Sie sind Erfindungen.
Ganz im Gegensatz zu dieser Lässigkeit im Umgang mit historischen Wahrheiten stehen die Folgen, die sich aus naturwissenschaftlichen Erkenntnissen ziehen lassen – die Folgen für unser Weltbild. Es macht einen Unterschied, ob wir in einem expandierenden oder in einem statischen Universum leben. Ob die Erde einige tausend Jahre alt ist oder einige Milliarden. Ob Tier- und Pflanzenarten sich in ewiger Ordnung seit Anbeginn gleichbleiben, oder ob sie entstehen und vergehen.
Um 1800 war das anders. Selten hat es eine Zeit in der Geschichte gegeben, in der die Naturwissenschaften so populär waren.
Die Jahrzehnte zwischen 1750 und 1850 sind Umbruchszeiten in der Geschichte der Naturwissenschaften. Hier werden, oft zum ersten Mal, Fragen gestellt und Methoden entwickelt, die bis heute von Relevanz sind, und die es noch lange sein werden:
Was ist Leben? Wie entsteht es? Wie interagieren Geist und Materie, Gehirn und Bewusstsein? Wie ist die Geschichte der Erde verlaufen? Können Arten aussterben? Oder neu entstehen? Was sind die ältesten Objekte, die wir auf Erden finden können? Welche Eigenschaften hat das Licht? Wie ist unsere Galaxie, wie der Kosmos gebaut? Und besonders wichtig: Wie können wir das überhaupt erkennen?
Um 1800 entsteht die Biologie, eine Wissenschaft, die zum ersten Mal nach den Eigenschaften des Lebendigen fragt, nach den Unterschieden von lebender und toter Materie, nach der Entstehung des Lebens. Das Lebendige selbst wird Forschungsgegenstand. Bisherige Naturkunde verstand sich als Beschreibung und Benennung von Tier- und Pflanzenarten. Aber auch die Erforschung der globalen Diversität wird zum Ziel.
Die Zeit zwischen 1750 und 1850 – zwischen Cooks und Darwins Weltumseglungen – ist die zweite große Entdeckungsepoche der Menschheit. Sibirien, Nord- und Südamerika, der Pazifik mit Australien und die Polargebiete sind die großen Weltgegenden, die Forschungsziele werden. Eine ähnliche Dynamik entfalten die Geowissenschaften.
Goethe mit seinen naturwissenschaftlichen Interessen ist in dieser Zeit weniger die Ausnahme, eher die Regel, wenn er auch auf außergewöhnlich intensive Weise Naturwissenschaften betreibt.
Eine Ausnahme, um nicht zu sagen: ein Glücksfall ist es, dass seine naturwissenschaftlichen Sammlungen bis heute erhalten geblieben sind. Sie sind nicht deshalb einzigartig, weil sie von Goethe sind. Sondern weil sie, wie nur wenige Sammlungen ihrer Zeit, weitgehend in der Ordnung, weitgehend in der Vollständigkeit, mit Beschriftungen und Verzeichnissen erhalten geblieben sind. Und sie sind erhalten im Kontext der Goetheʼschen Schriften, der Korrespondenz und des Nachlasses.
Damit kann die wissenschaftliche Arbeit selbst rekonstruiert und verstanden werden. Die Fragen, die Goethe und die Zeit hatten; die Methoden; die Lösungen. Wir blicken gleichsam in ein Labor während der Arbeit, in die Werkstätten der Wissenschaften, nehmen teil an den Exkursionen und Expeditionen.
Naturwissenschaften sind Mode um 1800. Es wird gesammelt, bestimmt, experimentiert und mikroskopiert.
Goethe besitzt 4 Mikroskope, Charlotte von Stein ein eigenes. Man trifft sich – manchmal auch mit Herder zusammen – zum gemeinsamen Mikroskopieren. Hintergrund ist die Frage: Wie entstehen Organismen? Goethe züchtet Infusionstierchen, er zeichnet Bakterien und Einzeller. Manche davon mit einer Genauigkeit und Lebendigkeit, dass man sie noch heute in ein Lehrbuch der Mikrobiologie aufnehmen könnte. Auch das Sammeln erfreut sich großer Beliebtheit. Wer etwas auf sich hält, sammelt Mineralien, Conchylien, Insekten oder legt Herbarien an.
Trotzdem bleibt eine Frage: Wie auch immer die gesellschaftlichen Bedingungen um 1800 waren, günstiger für die Naturwissenschaften oder nicht: Warum sich mit ihnen beschäftigen? Beschäftigen wir uns dabei nicht mit den Irrtümern vergangener Zeiten? Bestenfalls mit veraltetem Wissen? Mit längst widerlegten Theorien? Können diese mehr als ein kulturhistorisches Interesse beanspruchen?
Die Antwort darauf ist einfach: weil hier die Arbeitsweisen von Wissenschaft selbst sichtbar werden. Ihre Bedingungen, Voraussetzungen, Methoden, die vielfältigen Arten, Fragen zu stellen und sie zu lösen. Dort, wo sich heute Fragen und Probleme beantworten lassen, – und viele der damaligen Fragen sind noch offen, vielleicht auch nie zu beantworten – dort sieht man schnell, dass die Fragen reicher sind als die Antworten, dass sie mehr enthalten als ihre Lösungen. Es ist gerade das Fremdartige, das diesen Reichtum anzeigt.
Worum muss es also gehen bei dem von uns unternommenen Versuch, Goethe und die Naturwissenschaften um 1800 zu verstehen? Weniger um Goethe als Person, sondern um Goethe als Kollektiv, beteiligt an einem Netz von wissenschaftlichen Beziehungen, Ideen, Modellen, Theorien; niedergelegt in seinen Sammlungen, den Schriften und im Nachlass.
Alles das, der Glücksfall, gibt uns die einmalige Chance, die wissenschaftliche Arbeit der Frühmoderne zu verstehen und damit auch unsere eigene naturwissenschaftliche Herkunft.
Immanuel Kant hat in einer berühmten Fußnote in der „Kritik der Urteilskraft“ von einem „gewagten Abenteuer der Vernunft“ gesprochen. Er bezieht sich dabei auf den Versuch, die Archäologie der Natur, die Geschichte der Erde und der Lebewesen zu verstehen. Goethe hat die „Kritik der Urteilskraft“ genau gelesen. Naturwissenschaften scheinen Kant nur innerhalb der Grenzen der Mathematik möglich. Nur sie liefert Gewissheiten. Wo das Geschichtliche beginnt, das Zufällige, das Kontingente, wird es problematisch. Denn jenseits dieser Grenzen droht die Unsicherheit, mangelnde Gewissheit, beginnt das Reich der Spekulation.
Und doch hat Kant auch auf das Verlockende dieser Grenzüberschreitung verwiesen, es als Aufgabe kühner Wissenschaftler formuliert. Und viele von diesen, von 1800 bis heute, sind dieser Versuchung erlegen und haben das Abenteuer gewagt. Und genau dazu möchten wir auch Sie einladen: Wagen auch Sie zu wissen – und machen Sie sich mit uns auf in das Abenteuer der Vernunft!
Sehr interessant! Die Kunst, Fragen zu stellen, auch wie sie in den vergangenen Epochen gestellt wurden und wie wir heute Fragen aufwerfen, das lohnt sich zu hinterfragen!
Mein Urururgrossvater Johann FriedrichBlumenbach Naturwissenschaftler und Professor in Jena war mit Goethe befreundet , Verfasser der ersten Naturgeschichte und Erfinder des Bildungstriebs, ein morphologische Betrachtung von Organismen – sie diskutierten über den Zwischenkieferknochen beim Menschen und korrespondieren eifrig . Vor ein paar Jahren durfte ich die Mammutknochen im Baturkundemuseum Berlin anfassen und zeichnen , auf jedem Knochen stand der Blumenbach als Erstbeschreiber
In diesem Zusammenhang sollte auch Johann Friedrich Blumenbach Proffessor in Göttingen – Verfasser der Habsbuch der Naturgeschichte – ich habe eine zehnte! Auflage von 1821 der Dieterichschen Verkagsbuchhsbdlung Göttingen in meinem Besitz , bin direkte Urenenkelin – und er stand in regen Briefwechsel mit Goethe über der Os intermaxialis dem Zwischenkieferknochen beim Menschen, den Goethe als erster entdeckte und es gibt herrliche Dispute der beiden darüber – zum Schuss musste Blumenbach ihm recht geben- und damit war die Evolution besiegelt, dass der Mensch mit den Tieren verwandt ist
Was muss man im digitalen Zeitalter noch wissen?
Ein kleines, etwas unorthodoxes Gedicht zum Allgemeinwissen:
WISSEN FÜR BESSERWISSER
Es hält unser Blut in Fluss der
Thrombozytenaggregationshemmer,
Welch klangvolles Wort.
Bandar Seri Begawan ist
Hauptstadt von Brunei,
Ein herrlicher Ort.
Kalaallit Nunaat ist Grönland,
Der Mount Godwin-Austen
Auch als K 2 bekannt;
Eyjafjallajökull ein Vulkan
Im vulkanreichen Island.
Vigdis Finnbogadottir
War mal Präsidentin hier.
Wir kennen Parallaxensekunde
Und Desoxyribonukleinsäure gut,
Zaubern noch mit links die
Positronenemissionstomografie
Aus dem Hut.
Die Stadt Hodmezövásárhely
Fordert schon etwas Mut.
Spricht man diese Worte
Zügig und unfallfrei aus,
Erntet man sicher Applaus.
Kann man sie noch deuten,
Ist man wohl unheimlich
Den Leuten.
Rainer Kirmse , Altenburg
GEDICHTE ZU URKNALL UND WELTALL,
DEN RÄTSELN VON RAUM UND ZEIT,
Nicht ganz ohne Heiterkeit
Wir blicken zu den funkelnden Sternen
In des Weltalls unendlichen Fernen.
Dabei fragen wir uns so manche Nacht,
Wie wohl entstanden ist all diese Pracht.
DUNKLES UNIVERSUM
Am Anfang war der Urknall,
Um uns herum der Nachhall.
Das Weltall in Expansion
Milliarden Jahre nun schon.
Es sind dabei die Galaxien
Einander rasant zu entflie’n.
Da ist keine Wende in Sicht,
Irgendwann geht aus das Licht.
Dunkle Materie ist rätselhaft,
Dunkle Energie nicht minder.
Das Wissen ist noch lückenhaft,
Man kommt nicht recht dahinter.
Es braucht wohl wieder ein Genie,
Gar eine neue Theorie.
Den Kosmos ganz zu versteh’n,
Wird noch etwas Zeit vergeh’n.
EINSTEIN RELATIV LYRISCH
Zeit ist relativ,
Man hat sie leider nie.
Einstein forschte intensiv,
Offenbarte sein Genie:
Konstant das Tempo von Licht,
Schneller geht es nunmal nicht.
Ein weiteres Resultat: E = m c ²
Er brachte die Raumzeit ins Spiel,
Eine Feldgleichung war das Ziel.
Masse krümmt umgebenden Raum –
Revolutionäres war gedacht,
Wissenschaft vorangebracht.
DAS SCHWARZE LOCH
Ein kosmisches Schwergewicht,
Zu keiner Diät bereit;
Sternenstaub das Hauptgericht,
Verschmäht wird keine Mahlzeit.
Die Materie superdicht,
Stark verbogen die Raumzeit;
Dem Monster entkommt kein Licht,
Gefängnis für die Ewigkeit.
Der Ereignishorizont ist Grenze,
Dahinter ist einfach Sense.
TEILCHENPHYSIK
Ewig bleibt stehn keine Mauer,
Nichts im Weltall ist von Dauer.
So zerfällt nach einem Weilchen
Auch noch das kleinste Teilchen.
Nukleonen winzig klein,
Der größte Galaxienverein;
Was am Himmel sehen wir,
Der Mensch und alles Getier –
So schön auch der Bibelbericht,
Einen Gott brauchte es dafür nicht.
STERNENBETRACHTUNG
Deklination und Rektaszension
Bestimmen die Sternposition.
Die Parallaxe indessen
Hilft beim Entfernung messen.
Wir sehen Sterne Blau und Rot,
Neugeboren, auch kurz vorm Tod;
Oder uns’rer Sonne ähnlich,
Mittelalt und leuchtend gelblich.
Da gibt es Riesen und Zwerge
Verschiedenster Leuchtstärke;
Solisten und Mehrfachsterne,
Recht nah und in weiter Ferne.
Sternenheimat sind Galaxien,
Die mit ihnen durchs All zieh’n.
Meist von Planeten umgeben,
Gibt’s ohne Sterne kein Leben.
STERNENSCHICKSAL
Wasserstoff zu Helium
Ist der Sterne Tonikum,
Im Innern die Kernfusion
Ist der Sterne Profession.
Eruption und Protuberanz
Sind nur oberflächlicher Tanz.
Sterne sind bis zum Ende
Geburtsort der Elemente.
Nach dem Eisen letzter Gruß,
Machen Sterne damit Schluss.
Für Elemente superschwer
Muss eine Supernova her.
Sterne entsteh’n und vergeh’n,
Das ist im All Normalgescheh’n.
Der Mensch, ein Kind der Sterne,
Betrachtet’s aus der Ferne.
WELTALL – ERDE – MENSCH
Eine Singularität macht Karriere,
Die Materie in einem Punkt vereint.
Ein großer Knall beendet die Leere,
Das Duo Raum und Zeit erscheint.
Der Materie Vielfalt fächert sich auf,
Es bilden sich die Elemente.
Sterne und Planeten entsteh’n zuhauf,
Alles in Ausdehnung ohne Ende.
Uns’re Galaxie ist eine von Milliarden,
Ein Spiralsystem, keine Besonderheit.
Die Erde hatte die besten Karten,
Hier fand das Leben Geborgenheit.
Aus toter Materie ging es hervor,
Strebte hin zu höchster Komplexität.
Die Evolution wirkt als ein Motor,
Der einfach niemals ins Stocken gerät.
Zahllose Arten entsteh’n und vergeh’n,
Bevor der Mensch betritt die Szenerie.
Auch ihn wird man nicht ewig hier seh’n,
Das ist die kosmische Dramaturgie.
UNSER MOND
Der Mond ist aufgegangen,
Zeigt seine narbigen Wangen.
Er erhellt uns die finst’re Nacht,
Bis der neue Morgen erwacht.
Der Erde treuer Begleiter
Stimmt uns mal traurig, mal heiter;
Berührt das menschliche Gemüt,
Gebannt man ihm ins Antlitz sieht.
Verliebte mögen den Mondschein,
Sind mit sich und dem Mond allein.
Mondsüchtige treibt er aufs Dach,
Auch Tiere bleiben länger wach.
Der Mond besitzt enorme Kraft,
Womit er die Gezeiten schafft.
Doch er zieht sich langsam zurück,
Entfernt sich leider Stück um Stück.
Ohne Mond kämen wir in Not,
Er hält die Erdachse im Lot.
Wir woll’n vor dem zu Bette geh’n,
Nochmal hoch zu Frau Luna seh’n.
MONDFINSTERNIS
Großes Schauspiel am Himmelszelt,
Auf den roten Mond blickt die Welt.
Frau Luna schaut sehr finster drein,
Im Erdschatten so ganz allein.
Nun abgeschirmt vom Sonnenlicht,
Verfinstert sich das Mondgesicht.
Das ist nicht allzu oft der Fall,
Zu sehen auch nicht überall.
Nur bei Vollmond zu verfolgen,
Wenn denn mitspielen die Wolken.
Der Eklipse Faszination
Erlagen Menschen immer schon.
Es bringt die Himmelsmechanik
Uns das Mondlicht bald zurück.
Der Erde treuer Begleiter
Kann blicken wieder heiter.
SUPERMOND
Der Mond über Haus und Wiese
Zeigt sich heut’ als wahrer Riese,
Als ob er uns in der Krise
Hier unten nicht allein ließe.
Lang genug hat man ihn verschont,
Nun will man wieder hin zum Mond.
Höchste Zeit, dass ein Astronaut
Mal wieder nach Frau Luna schaut.
DER ROTE PLANET
Wenn man so auf Mars schaut,
Rostrot schimmert seine Haut.
Der äußere Nachbar der Erde
Ist ein ziemlich kalter Gefährte.
Halb so groß, von ähnlicher Gestalt,
Der Mensch will ihn besuchen bald.
Der Planet ist mal nah, mal fern,
Zieht exzentrisch um uns’ren Stern.
Dünn ist seine Atmosphäre,
Früher gab’s wohl sogar Meere.
Vieles wird man noch ergründen,
Vielleicht Lebensspuren finden.
MERKUR
Der Merkur auf der Innenbahn,
Sprintet mit unheimlichen Zahn
Um die Sonne Stunde um Stunde,
Achtundachtzig Tage die Runde.
Er ist der Kleinste der Planeten,
Nahes Ziel für uns’re Raketen.
Am Morgen blicken wir auf ihn,
Auch abends sehen wir ihn zieh’n.
Brütend heiß sind dort die Tage,
Die Nächte dafür grimmig kalt.
Lebensfeindlich ohne Frage,
Wir würden da nicht allzu alt.
STERNENFREUNDE
Sie blicken zu Mond und Sternen,
Sind den Planeten auf der Spur;
Reisen zu des Weltalls Fernen,
Wenn auch mit Teleskopen nur.
Unterwegs in finsterer Nacht,
Im Banne der himmlischen Pracht;
Licht aus, Sterne an, klare Sicht –
Viel mehr brauchen sie dazu nicht.
Rainer Kirmse , Altenburg
Herzliche Grüße aus der Skatstadt