War Herausgeberin und Autorin der ersten deutschen Frauenzeitschrift "Pomona": Sophie von La Roche, Unbekannter Künstler, undatiert. Foto: Klassik Stiftung Weimar

Von der Muse zur ersten Journalistin: Sophie von La Roche

Goethe schickte ihr seinen „Werther“ zur Ansicht. Wieland war ein lebenslanger Vertrauter. Sophie von La Roche gilt als erste deutsche Berufsschriftstellerin und setzte sich für Frauenbildung ein.

Von Felix Naundorf

Sophie von La Roche, geborene Gutermann von Gutershofen (1730-1807) gilt als erste deutsche Berufsschriftstellerin  und Journalistin. 1771 erschien ihr empfindsamer Briefroman „Das Fräulein von Sternheim“, den sie zunächst anonym veröffentlichte. Der Text wurde zum Bestseller, zahlreiche weitere Romane folgten. Darüber hinaus schrieb sie Beiträge für Christoph Martin Wielands Literaturzeitschrift „Der Teutsche Merkur“. 1783 begründete sie die Zeitschrift „Pomona für Teutschlands Töcher“.

In ihren Erzählungen und Romanen steht häufig die Erziehung und Bildung von Frauen im Vordergrund. Ihre Texte boten Leserinnen lebensweltliche Identifikation und förderten das Erstarken weiblicher Autorschaft in der Spätaufklärung.

„(Sie war) 35 Jahre lang eine der fruchtbarsten Schriftstellerinnen […], die irgend eine Nation aufzuweisen hat.“  (Wieland über La Roche, 1806)

Die Muse

Mit dem Dichter Christoph Martin Wieland verband Sophie La Roche eine ganz besondere, lebenslange Verbindung. 1750 verlobten sich die beiden. Allerdings verweigerten die Familien Wieland und Gutermann ihren Segen, wodurch die Verlobung zwei Jahre später aufgelöst wurde.

Mit Christoph Martin Wieland war Sophie von La Roche kurze Zeit verlobt. Zeit seines Lebens unterstützte der Autor und Übersetzer sie in ihrer Arbeit. Porträt von Chr. M. Wieland, undatiert. Foto: Klassik Stiftung Weimar

Mit Christoph Martin Wieland war Sophie von La Roche kurze Zeit verlobt. Zeit seines Lebens unterstützte der Autor und Übersetzer sie in ihrer Arbeit. Porträt von Chr. M. Wieland, undatiert. Foto: Klassik Stiftung Weimar

Zu ihrem schärfsten Kritiker, Redaktor und Herausgeber pflegte La Roche eine über 50-jährige Freundschaft. Sie unterhielt zu ihm regen Briefkontakt – meist auf Französisch. Der Briefwechsel, vor allem die Briefe Wielands an La Roche, gehören heute zum Bestand des Goethe-und Schiller-Archivs.

„Nichts ist wohl gewisser, als daß ich, wofern uns das Schicksal nicht im Jahr 1750 zusammengebracht hätte, kein Dichter geworden wäre.“  (Wieland über la Roche, 1805)

Sophie von La Roche begleitete Wielands erste literarische Arbeiten als dessen seelische Unterstützung, als ‚Muse‘. Es ist jedoch zu kurz gegriffen, ihre Rolle lediglich darauf zu reduzieren. Schließlich trat sie selbst als Autorin auf. Ihr Werk und pädagogisches Wirken wurden lange, wie das so vieler produktiver Frauen ihrer Zeit, von der Literaturgeschichtsschreibung vernachlässigt, und das, obwohl sie zu den bekanntesten zeitgenössischen Schriftstellerinnen gehörte und mit ihrem Roman „Fräulein von Sternheim“ eine ganze Frauengeneration beeinflusste.

Brief von Sophie La Roche an Christoph Martin Wieland vom 04. Juni 1806. Foto: Klassik Stiftung Weimar

Brief von Sophie La Roche an Christoph Martin Wieland vom 04. Juni 1806. Foto: Klassik Stiftung Weimar

Die Briefschreiberin

Nachdem bekannt wurde, wer die Autorin des Romans „Fräulein von Sternheim“ tatsächlich war, zog diese Nachricht viele Besucher und Besucherinnen in ihren literarischen Salon, den auch Goethe 1772 besuchte und später in seiner Autobiografie „Dichtung und Wahrheit“ lobend erwähnte. Sie pflegte freundschaftlichen Briefkontakt zu der Literaturprominenz des 18. und 19. Jahrhunderts, so unter anderem zum jüngeren Goethe. Aus den 45 überlieferten Briefen von ihm an die “liebe Mama” geht eine wechselseitige  produktive Beziehung hervor. Er sandte ihr seinen “Werther“ zur Ansicht und Verbreitung, sie schickte ihm das Manuskript ihres Romans „Rosaliens Briefe an ihre Freundin Mariane von St**” Nur zwei Briefe La Roches an Goethe blieben erhalten, von dem einer heute im Goethe- und Schiller-Archiv aufbewahrt wird.

Wieland als Förderer

Eine Frau als Schriftstellerin hatte es im 18. Jahrhundert nicht leicht in einem von Männern dominierten Literaturbetrieb. Schwierigkeiten bei der Kommunikation mit Verleger, Drucker, Herausgeber, die Frage nach möglichen Förderern bis hin zur Einwilligung des Vormundes oder Ehemannes waren dabei Hindernisse, die es zu überwinden galt. So verwundert es nicht, dass Wieland für La Roches Romane „Fräulein von Sternheim“ und „Melusinens Sommerabende“ die Herausgabe und geschäftliche Abwicklung übernahm.

Vorwort von Christoph Martin Wieland als Herausgeber von Melusinens Sommer-Abende, 05. September 1806. Foto: Klassik Stiftung Weimar

Vorwort von Christoph Martin Wieland als Herausgeber von Melusinens Sommer-Abende, 05. September 1806. Foto: Klassik Stiftung Weimar

Im Einvernehmen mit La Roche übernahm Wieland „mit Vergnügen“ redaktionelle Tätigkeiten wie Streichungen, Änderungen und die Korrektur der Rechtschreibung. Beiden Texten widmete er jeweils ein Vorwort, in dem er gezielt eine weibliche Leserschaft ansprach und mit dem pädagogisch-didaktischen Nutzen des Buches für Frauen warb. Damit wies er La Roches Werke sogenannter „Frauenliteratur“ zu. Ein für uns heute kontroverser Begriff, sah er doch für die Literatur von Autorinnen, die über Themen weiblicher Lebenswelten schrieben, ausschließlich ein weibliches Zielpublikum vor. Nur so aber war in Zeiten der Spätaufklärung für Sophie von La Roche ein Platz auf dem Literaturmarkt zu erringen. Der einsetzende finanzielle Erfolg gab ihr die Bestätigung, einen Nerv der Zeit getroffen zu haben.

„… und lassen (Sie) sich erbitten mit Ihrer Hand […] nur die Zeile zu sagen – daß sie hoffen, meine junge Freundinnen würden die letzte Blätter […] doch mit Freundschaft aufnehmen […]“  (La Roche an Wieland, 1806)

Auferlegter Bescheidenheitsduktus

Literatur als Gelegenheitsproduktion zu legitimieren und damit gleichzeitig auf den ästhetischen Kunstbegriff zu verzichten, gehörte zur weiblichen Schreibpraxis. Dieser konnte sich auch eine etablierte Schriftstellerin wie La Roche nicht entziehen. Den gesellschaftlichen, wie auch selbst auferlegten Bescheidenheitsduktus schreibender Frauen formulierte La Roche am 4. Juni 1806 an Wieland:

„… und lassen (Sie) mich sagen, dass ich nie unter deme vielsagenden Titel, einer Schriftstellerinn mich dachte – sondern nur, als für gute junge Mädgen schreitend, dem gang meiner Feder Freyheit gaab, mit guten Kindern meines Geschlechts zu reden.” 

Ein Großteil der für Frauen veröffentlichten Zeitschriften des 18. Jahrhunderts stammte aus männlicher Feder. Durch fiktive weibliche Mitarbeit und Herausgabe sollte ein größeres weibliches Publikum angesprochen werden.

Pomona“ als öffentliches Forum

La Roche war zwar nicht die erste Frau, die eine Zeitschrift herausgab, sie schuf aber mit ihrer „Pomona“ ein über die Landesgrenzen hinausgehendes Forum für Leserinnen. Statt sich mit Themen wie Mode und Schönheit zu beschäftigen, wie sie üblicherweise in den Frauenjournalen der Zeit behandelt wurden, ging es ihr in der „Pomona“ um die Bereitstellung von philosophischen Texten über Erziehung und Bildung. Besprochen wurden Kunst, Medizin, Gesundheit und Ernährung. Sie bot Leitlinien zur Mädchenerziehung an und überwand die Anonymität öffentlicher Korrespondenz von Leserin und Herausgeberin durch einen unverwechselbaren freundschaftlich-didaktischen Plauderton. Zu den bekanntesten Abonnentinnen zählte Katharina die Große von Russland.

La Roche forderte nicht nur lautstark die zweckgebundene Allgemeinbildung der Frau, sondern förderte diese gleichzeitig mit ihrem literarischen Schaffen.

 „[w]ir und unsere Fähigkeiten wurden immer nur zu der Hausdienerschaft gerechnet.“  (aus der „Pomona“, 1784)

Chance für schreibende Frauen

Sophie von La Roche bot zudem mit ihrer „Pomona“ einer Reihe von zeitgenössischen bekannten Autorinnen eine Plattform, so unter anderem Philippine Engelhard (geb. Gatterer), Sophie Albrecht oder Juliana von Mudersbachs „Über die Aufhebung der Leibeigenschaft in Böhmen“. 

„Ich konnte mir in dem Reich der Wissenschaften kein eigenes Land erobern, aber ich kann es ja machen, wie Reisende, und mich in jedem Gebiet umsehen, welches andre angebaut haben.“ (aus der „Pomona”, 1783) 

Sophie von La Roche, die Zeitgenossin Goethes und Wielands, war mehr noch als Brieffreundin, Beraterin und Quelle der Inspiration – sie war eine der produktivsten Schriftstellerinnen des 18. Jahrhunderts und prägte mit ihrem Briefroman „Geschichte des Fräuleins von Sternheim“ ein ganzes Subgenre. Besonders ihr bildungspolitisches Engagement für die Frauen und Mädchen ihrer Zeit macht sie zu einer herausragenden Person der Literaturintelligenz der Spätaufklärung.

Der Verfasser Felix Naundorf studiert Germanistische Literaturwissenschaft an der Universität Greifswald im Master. In seiner Bachelorarbeit arbeitete er zu Weiblichkeitsbildern in den Moralischen Wochenschriften und Frauenzeitschriften des 18. Jahrhunderts.

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