Christiane Henriette Dorothea Westermayr: Johannes Daniel Falk, 1805

Rücken der alten Aktenbände

Schadensbilder: Starke Risse vom Rücken ausgehend sowie Deformationen im Papier

Schimmelschaden vor der Restaurierung

Schimmelschaden nach der Restaurierung

Sachgerechte Verpackung und Lagerung im Archivmagazin

Mit Fingerspitzengefühl:
27 Bände einzeln restauriert

Nach 200 Jahren sind Akten des Pädagogen Johannes Falk nun zugänglich

Johannes Daniel Falk war nicht nur Schriftsteller, Diplomat und Dichter der ersten Strophe des Weihnachtsliedes „Oh du fröhliche“. Er gründete auch die „Gesellschaft der Freunde in der Not“ und den „Lutherhof“ in Weimar, ein Quartier für verarmte und verwaiste Jugendliche, und wurde so zum Wegbereiter neuzeitlicher Pädagogik und moderner Berufsausbildung. Von seinem sozial-religiösen Engagement zeugen die historischen Akten der 1813 ins Leben gerufenen Gesellschaft. Im Goethe- und Schiller-Archiv konnten die historisch wertvollen Bände nun restauriert werden.

Rücken der alten Aktenbände

Schwergewichtig und dick sind die 27 Geschäftsakten der „Gesellschaft der Freunde in der Not“. Sie sind über 200 Jahre alt und bieten einen interessanten Einblick in Falks Wirken als Sozialpädagoge. Geschäftliche Korrespondenzen sowie Finanz- und Bauunterlagen finden sich darin, aber auch Bittgesuche der Zöglinge, Lehrverträge und Briefe der Eheleute Falk. Als historische Quellen künden die Bände seitenweise von den Schicksalen der mittellosen Heranwachsenden, denen Johannes Daniel Falk mit seinem Projekt Hilfe bot und deren Talente er förderte.

Aus den Akten: Zeitgenössische Ansicht des „Lutherhofes“ in Weimar, dem Zentrum des Falkschen Instituts.

Für die Forschung waren die Akten seit langem eine begehrte Lektüre, wegen des schlechten Erhaltungszustandes blieben sie aber viele Jahre für die Benutzung gesperrt. Es ist belegt, dass bereits Falk die Dokumente in großformatigen Bänden aufbewahrte, die später ins Staatsarchiv Weimar gelangten.

Unterschiedliche Formate von Einzel- und Doppelblättern sowie Heften vor der Restaurierung

Anfang der 1920er-Jahre hatte der Weimarer Buchbinder Adolf Oßwald neue feste Einbände für die 27 Akten angefertigt. Die Rücken der einzelnen Bände bestrich er dabei so stark mit Knochenleim, dass der aus Tierknochen hergestellte Leim tief in die Lagen eindrang, und einzelne Blätter stark miteinander verklebten. Die Bände ließen sich kaum aufschlagen, sie vollständig zu öffnen war ohne Beschädigung der Einzelblätter nicht möglich.

Schlechtes Aufschlagverhalten vor der Restaurierung

Hinzu kamen starke Verschmutzungen und Schimmelbelastungen, die auf schlechte Lagerungsbedingungen im 19. Jahrhundert zurückzuführen sind, und deren Behandlung schon aus Gründen des Gesundheitsschutzes längst überfällig war. Als die Unterlagen 1984 in das Goethe- und Schiller-Archiv gelangten, wiesen die Akten zudem zahlreiche mechanische Schäden wie Risse und Fehlstellen auf.

Um das vielfältige und wertvolle Material der Öffentlichkeit endlich zugänglich machen zu können, startete 2011 ein umfangreiches Restaurierungsprojekt, das vom Land Thüringen finanziell unterstützt wurde. Jedem der über 13.300 Blätter wandten sich die Restauratorinnen des Goethe- und Schiller-Archivs einzeln zu.

Schimmelschaden nach der Restaurierung

Zunächst lösten sie einen Aktenband auf, dokumentierten ihn sorgfältig und entwickelten gemeinsam mit den Archivwissenschaftlern eine neue, konservatorisch vertretbare Aufbewahrungsform. Wie bei allen Restaurierungsaufgaben galt auch hier der Grundsatz, so viel Originalität wie möglich zu erhalten.

Um allen archivischen und konservatorischen Anforderungen gerecht zu werden, fiel die Wahl schließlich auf eine Kombination aus einem Konservierungseinband und der Einzelblattheftung auf dünnen Papierstreifen, den sogenannten Fälzchen. Die ursprünglich etwa 500 Blatt starken Aktenbände waren extrem unhandlich. Deshalb erfolgte eine Aufteilung in zwei, manchmal auch drei schmalere Einzelbände.

Neue Einband- und Lagerungsform

Im Zuge der Restaurierung aller Bände wurde die Methode weiterentwickelt und individuell angepasst. Bei jeder Akte wurde zunächst der Einband entfernt und die alte, meist stark verklebte Heftung aufgelöst und Lage für Lage separiert. Die verklebten Bandrücken stellten dabei ein gravierendes Problem dar. Mit viel Geduld und Achtsamkeit lösten die Restauratorinnen die alten Verklebungen, dann erst konnte die restauratorische Bearbeitung der Blätter beginnen.

Nach der Trockenreinigung stark verschmutzter und kontaminierter Dokumente wurden Risse geschlossen und Fehlstellen im Papier ergänzt.

Schadensbilder: Starke Risse vom Rücken ausgehend sowie Deformationen im Papier

Zuletzt wurden die Blätter mit Fälzchen versehen, zu Lagen mit je vier Blatt zusammengestellt, an der Heftlade geheftet und mit einem Einband geschützt. Im klimatisierten Archivmagazin werden sie nun in konservatorisch geeigneten Schutzverpackungen unter optimalen Aufbewahrungsbedingungen gelagert.

Die Akten der „Gesellschaft der Freunde in der Not“ erlauben einen Einblick in die Alltags- und Lebensgewohnheiten der Zeitgenossen Goethes, Schillers, Herders und Wielands. Dieser einzigartige Teil schriftlichen Archivgutes aus dem Weimarer Kulturleben des 19. Jahrhunderts ist nun für die Öffentlichkeit gesichert.

Heften der restaurierten Blätter mit der Heftlade

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Ein Kommentar

  • Vielen Dank für diesen aufschlussreichen, interessanten Artikel und die sorgfältige Arbeit der Restauratorinnen.

    K. Kremers -