Konfirmation, mittig Allwina Frommann als ca. 15jähriges Mädchen, ca. 1815, gezeichnet von Johanna Frommann, GSA 21/308, Bl 64 ©Klassik Stiftung Weimar

Allwina Frommann – eine selbstbewusste Künstlerin des 19. Jahrhunderts

von Anne Fuchs

Sie war gebildet, begabt und wurde als Vertraute nicht nur von Kaiserin Augusta von Preußen sehr geschätzt: Allwina Frommann.

An einem Morgen im November 1843 klingelte es an der Tür der Malerin Allwina Frommann in Berlin. Davor stand ein Mann, den sie wie sie später notiertfür einen „Wohltätigkeitsbettler“ hielt, weil er einen großen Bogen Papier präsentierte. Es war aber ein Bote, der der 43-jährigen Künstlerin ihre Aufnahme in die „Königliche Akademie der Künste“ verkündete.

Dies war die berufliche Anerkennung, auf die Allwina gehofft, mit der sie aber bis dahin nie gerechnet hatte. Ihre Freude über diese Würdigung und finanzielle Stabilisierung teilte sie ihrem Bruder Friedrich Johannes Frommann zur Feier des Tages auf rosarotem Briefpapier mit.

Johanna Frommann (1765-1830) und Carl Friedrich Ernst Frommann (1765-1837), 1798, gezeichnet von Johanna Frommann, GSA 21/308, Bl 62 ©Klassik Stiftung Weimar

Allwina wurde am 16. März 1800 als zweites Kind der bekannten Jenaer Verlegerfamilie Frommann geboren. Ihre Mutter Johanna, eine geborene Wesselhöft (Abb. 2), stammte aus Hamburg und verstand es, ein geselliges Haus zu unterhalten. Goethe verkehrte während seiner Jenaer Aufenthalte täglich bei den Frommanns und speiste vor allem gerne dort.

Friedrich Johannes Frommann (1797-1886) im Badezuber, um 1802, gezeichnet von Johanna Frommann, GSA 21/308, Bl 83 ©Klassik Stiftung Weimar

Albumblatt mit Prosazeilen Goethes, 1847, gemalt von Allwina Frommann, GSA 21/309, Bl 54 ©Klassik Stiftung Weimar

So wuchs Allwina umgeben von vielversprechenden Studenten, Professorenfamilien, deutschen Schriftstellern und Adligen aus dem Umfeld des Weimarer Hofes auf.

Das Bild, das Johanna Frommann zu Allwinas Konfirmation malte, zeigt das Mädchen in der Mitte ihrer Freundinnen, allesamt Professorentöchter (Abb. 1). Von ihrer hochgebildeten Mutter, die gerne Besucher und häusliche Szenen bildlich festhielt (Abb. 3), lernte Allwina auch die Miniaturmalerei.

Nachdem Allwina ihren Vater, Carl Friedrich Ernst Frommann, bis zu seinem Tod gepflegt, einen Heiratsantrag des Politikers Johann Carl Bertram Stüve ausgeschlagen sowie die Option abgelehnt hatte, als “alte Tante” bei der Familie ihres Bruders zu leben, nahm sie 1838 eine Stellung als Hausdame bei dem ehemaligen preußischen Minister Karl vom Stein zum Altenstein an und zog nach Berlin. Hier begann sie auch, sich vertieft mit der Arabeskenmalerei zu beschäftigen (Abb. 4).

Tiefe Freundschaft zu Kaiserin Augusta von Preußen

Nach Steins Tod 1840 beschloss Allwina trotz großer Existenzängste und wirtschaftlicher Not, sich selbständig zu machen und fertigte kleinere Aufträge für Freunde und Bekannte aus dem gehobenen Berliner Bürgertum an. So wurde auch Königin Augusta von Preußen, die in Weimar geboren und aufgewachsen war, auf sie aufmerksam und bestellte eine erste Buchillustration bei Allwina.

Augusta war mit der Arbeit so zufrieden, dass Allwina nicht nur zur akademischen Künstlerin, sondern auch zu ihrer Vorleserin und Zeichenlehrerin ernannt wurde. Damit erhielt sie ihr erstes festes Einkommen.

Hinzu kamen weitere Schülerinnen wie die Herzogin Dorothea von Sagan, die Allwina alljährlich auf ihre schlesischen Schlösser begleiten durfte und die eine der reichsten Frauen Europas war (Abb. 5). Mit beiden Frauen verband Allwina eine tiefe Freundschaft, die weit über ein berufliches Verhältnis hinausging.

Durch die Nähe zu Königin Augusta wurde Allwina auch zunehmend in die Deutschland-Politik des Berliner Hofes involviert und äußerte dazu, ihr seien die „allgemeinen Angelegenheiten viel bedeutender geworden u. alle persönliche[n] weniger“.

Zimmer der Herzogin Dorothea von Sagan auf Schloss Sagen, oD, gemalt von Allwina Frommann, GSA 21/309, Bl 58 ©Klassik Stiftung Weimar

Allwina hielt stetigen Kontakt zu ihrem Bruder Fritz, der Mitbegründer und Vorsteher des Börsenvereins der deutschen Buchhändler war und zeitweilig als Abgeordneter im Landtag von Sachsen-Weimar-Eisenach saß.

Zu ihren Jugendfreundinnen Ottilie von Goethe und Adele Schopenhauer ließ sie die Beziehung genauso wenig abreißen wie zu Ottilies Söhnen Walther Wolfgang und Wolfgang Maximilian von Goethe. Mit der Tante der Goethe-Enkel, Bertha von Schmeling, lebte Allwina 1843 bis 1850 in einer Berliner Wohngemeinschaft, in der beide Goethes häufig zu Besuch waren.

Überdies verband Allwina als Liebhaberin von Oper und Theater eine Freundschaft mit Minna Wagner, der Ehefrau Richard Wagners, den Allwina als Komponisten hochverehrte und dessen sämtliche Aufführungen sie begeistert verfolgte. Die Eheprobleme der Wagners empfand sie jedoch als zunehmend schwierig und wollte in diese Angelegenheit nicht mit hineingezogen werden.

Eine engagierte Zeitzeugin

Da sich ihr gesundheitlicher Zustand allmählich verschlechterte, versuchte Allwina mehrfach, in den Ruhestand zu gehen. Doch die inzwischen zur deutschen Kaiserin gekürte Augusta wollte sich unter keinen Umständen von ihr trennen, obwohl man in Preußen das allgemeine Pensionsalter mittlerweile auf 65 Jahre festgesetzt hatte.

In aller Stille und Heimlichkeit bereitete die „alte getreue Reliquie“ daher ihren Umzug nach Weimar vor, wo sie ihre letzten Jahre verbringen wollte. Sie kündigte schlussendlich per Brief während einer Abwesenheit Augustas – die Kaiserin verzieh ihr.

In Weimar genoss Allwina die Gesellschaft der wenigen noch verbliebenen Freunde der klassischen Zeit, pflegte einen freundschaftlichen Umgang mit Großherzog Carl Alexander und starb schließlich am 2. August 1875 im Kreis ihrer Familie in Jena (vermutlich) nach einem Schlaganfall.

Die zahlreichen Briefwechsel der engagierten und ruhelosen Zeitzeugin mit ihren Freunden und Familienmitgliedern, ihre politischen Beobachtungen, ein Teil ihrer Kunstwerke sowie ihre Tagebücher werden im Goethe- und Schiller-Archiv Weimar aufbewahrt.

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