Prof. Dr. Mojob Latif, Jahrgang 1954, in Hamburg geboren, ist Metereologe, der zu den führenden Klimaforschern in Deutschland zählt. Seit 2003 ist er Professor der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Foto: Kristina Steiner

Klimaforscher Mojib Latif: „Wir dürfen uns nicht weiter von der Natur entfremden“

INTERVIEW Karl Grünberg     FOTOS Kristina Steiner

Sollte es uns nicht gelingen, den weltweiten Kohlenstoffdioxid-Ausstoß drastisch zu verringern, könnten kulturhistorische Parklandschaften schon in 50 Jahren verloren sein, sagt Klimaforscher MOJIB LATIF. Im Interview spricht er über die Grenzen der Anpassungsfähigkeit von Pflanzen, Tieren und Menschen.

KLASSISCH MODERN: Herr Latif, die Klimakrise bedroht Mensch und Ökosysteme: In Kalifornien brannten zuletzt große Waldflächen, aber auch in Thüringen starben seit 2018 etwa sieben Prozent der gesamten Waldfläche infolge von Trockenheit und Schädlingen ab. Welche Auswirkungen der Erderwärmung werden in den nächsten Jahren auf uns zukommen?

MOJIB LATIF: Wir stecken mitten im Klimawandel, Deutschland ist wärmer geworden. Die durchschnittliche Jahrestemperatur hat sich seit der Wetteraufzeichnung um 1,5 Grad erhöht. Auch die Anzahl der Hitzetage hat zugenommen. Hitzetage sind jene Tage, an denen es mindestens 30 Grad warm wird. Andersherum nehmen die Eistage ab, also Tage, an denen die Temperatur durchgängig unter 0 Grad liegt. Einige Regionen in Deutschland leiden unter Dürreperioden. Gleichzeitig kommt es vermehrt zu extremen Wetterereignissen: Starkregen und Überschwemmungen. So ein Starkregen gleicht die durchschnittliche Niederschlagsmenge vielleicht aus, doch ein ausgetrockneter Boden kann das Wasser gar nicht aufnehmen. Es fließt einfach ab.

Was bedeuten diese Wetterextreme für jeden Einzelnen von uns?

Dass wir auf dem besten Weg dahin sind, dass bestimmte Regionen für den Menschen unbewohnbar werden könnten. Eine aktuelle Studie zeigt, dass es in 50 Jahren auf 19 Prozent der globalen Landfläche eine Jahresdurchschnittstemperatur von mehr als 29 Grad Celsius geben könnte, wodurch die Menschen ihre „ökologische Nische“ verlassen würden. Es wäre schlicht zu heiß, um dort zu leben.

Kulturhistorische Parklandschaften in Deutschland gibt es seit gut 300 Jahren. Sie sind Denkmäler der gärtnerischen Landschaftspflege und gleichzeitig eine Art lebendes Archiv alter Baumarten. Worauf müssen wir uns in Zukunft in Sachen Parkpflege einstellen?

Eben auf all das: Dürre, starke Niederschläge, temporäre Überschwemmungen, mehr Baumkrankheiten und mehr invasive Insektenarten, die sich durch die zunehmende Wärme auch in Deutschland ausbreiten. Wir gehen in eine ungewisse Zukunft: Wir werden Verhältnisse erleben, die wir nicht kennen. Die Dinge passieren zu schnell. Ökosysteme wie Wälder haben da kaum eine Chance, sich anzupassen. Oder schauen wir ins Meer: Wir befürchten, dass die Korallenriffe bis 2040 abgestorben sein werden, sollte die Erderwärmung ungebremst voranschreiten. Korallenriffe sind so etwas wie die Regenwälder des Meeres. Natürlich gab es in der Geschichte der Erde immer den Wechsel zwischen Warm- und Kaltzeiten, aber dieser Wechsel dauerte Jahrtausende. Diese Entwicklung machen wir jetzt vielleicht in 100 Jahren durch.

Das Interview ist nachzulesen in “klassisch modern. Das Magazin der Klassik Stiftung Weimar“.  Hier können Sie das vollständige Heft lesen. 

Können die Landschaftsgärtnerinnen und -gärtner denn überhaupt nichts tun, um den neuen Wetterextremen zu begegnen?

Es gibt immer Stellschrauben, an denen man in den nächsten Jahren drehen kann – zum Beispiel eine intelligente Bewässerung. Denn eigentlich haben wir in Deutschland noch genügend Wasser. Doch all das wird wenig bringen, wenn wir den weltweiten CO2-Ausstoß nicht drastisch verringern und so weitermachen wie bisher. Wir führen gerade ein Experiment mit der Natur durch und wissen nicht, wie es ausgeht. Ich befürchte, ohne Umkehr wird es solche Parks in 50 Jahren nicht mehr geben.

Der Park an der Ilm in Weimar, so wie Goethe ihn gemeinsam mit Gartenkünstlern seiner Zeit anlegen ließ, ist ein lebendes Kunstwerk, in dem jeder Baum zu jeder Jahreszeit eine gestalterische Aufgabe hat. Können wir hinsichtlich des Klimawandels überhaupt noch den Anspruch erheben, etwas zu bewahren, das vor 250 Jahren erdacht und bis heute erhalten wurde?

Den Anspruch kann man sicher erheben, doch werden wir leider an die Grenzen der Anpassungsfähigkeit von Pflanzen, Tieren und Menschen stoßen. Was besonders schade ist, da Landschaftsgärten wie der Ilmpark Stätten der Begegnung und des Friedens sind. Es ist ein Gesamtkunstwerk, das es zu erhalten gilt, weil sich hier die Natur von ihrer schönsten Seite zeigt und jeder erkennen kann, was es zu lieben und zu schützen gilt. Wir dürfen uns nicht weiter von der Natur entfremden, sondern müssen lernen, was für ein Wunderwerk sie ist und welche Schönheit von ihr ausgeht. Ich wünsche mir sehr, dass die Landschaftsgärten und unsere Natur erhalten bleiben.

Mojib Latif. Foto: Kristina Steiner

Mojib Latif. Foto: Kristina Steiner

PROF. DR. MOJIB LATIF

Jahrgang 1954, in Hamburg geboren, ist Meteorologe, der zu den führenden Klimaforschern in Deutschland zählt. Seit 2003 ist er Professor der Christian-Albrechts- Universität zu Kiel und leitet am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel den Bereich Maritime Meteorologie.

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Ein Kommentar

  • Ein kleines Gedicht zum Erdüberlastungstag:

    WACHSTUMSWAHN

    Man produziert und produziert,
    Plündert Ressourcen ungeniert.
    Gewinnmaximierung ist Pflicht,
    Die intakte Natur zählt nicht.
    Börsenkurse steh’n im Fokus,
    Umweltschutz in den Lokus.

    Plastikflut und Wegwerftrend,
    Man konsumiert permanent.
    Nur unser ständiges Kaufen
    Hält das System am Laufen.
    Unser westlicher Lebensstil
    Taugt nicht als Menschheitsziel.

    Die Jagd nach ewigem Wachstum
    Bringt letztlich den Planeten um.
    Das oberste Gebot der Zeit
    Muss heißen Nachhaltigkeit.
    Statt nur nach Profit zu streben,
    Im Einklang mit der Natur leben.

    Rainer Kirmse , Altenburg

    Herzliche Grüße aus der Skatstadt

    Rainer Kirmse , Altenburg -